Paintbox

Reif für die Insel

Der Gitarrist Jonas Windscheid hat ein Faible für die leisen, eleganten Klänge. Die kleidet er mit seiner Band Paintbox in immer wieder neue Schattierungen, wobei natürlich nicht ausgeschlossen ist, dass es auch einmal heftiger zur Sache geht. Das Debütalbum „Ven“ (Double Moon/New Arts Int.) bietet da reichlich Anschauungsmaterial.

Paintbox – Ven (Cover)

Das Quintett des Rheinländers Jonas Windscheid besteht hauptsächlich aus schweizerischen Musikern.

„Ich habe in Basel studiert, und dort ist auch die Band entstanden“, stellt Windscheid klar. „Mit dem Begriff Malkasten wollte ich andeuten, dass es mir darum geht, zu experimentieren, und dass die Band eine Art Labor ist. Frühe Versuche, Elektronik einzubinden, haben mir allerdings nicht so gefallen. Ich hatte das Gefühl, dass das meine Art zu komponieren einschränkt. Ich wollte lieber neue Akkordfolgen und verschiedene Arten zu schreiben entdecken. Deshalb bin ich sehr froh, seit einiger Zeit mit Hans Feigenwinter einen tollen Pianisten an Bord zu haben.“

Mit „Extraball“ startet das Album gleich mit einer Ballade, und auch „La Belle“, in dem Windscheid besonders elegant phrasiert, ist in ruhigem Tempo gehalten. „Lichtblicke“ ist ein subtiles Klanggemälde, das die hohe Kunstfertigkeit des Rhythmusteams aus dem Bassisten Roberto Koch und dem Schlagzeuger Silvio Morger zeigt. Zur Band gehört neben dem erwähnten Hans Feigenwinter auch noch der Altsaxofonist Andreas Böhlen.

„Für mich steht im Vordergrund, dass die Harmonien und die Stimmungen der Stücke interessant sind, und nicht so sehr die Gitarre als Akkordinstrument“, betont der Bandleader. „Ich habe schon ein Faible für Balladen.“ Mit einem amtlichen Vorwärts-Groove, der auf einer fast schon bluesigen Pianofigur basiert, ist dagegen „Storm“ ausgestattet, und im hochkomplexen „Skillshot“ zeigt die Band in geradezu halsbrecherischen Verrenkungen, dass sie auch für Abenteuerreisen zu haben ist. „In ‚Skillshot‘ habe ich vier oder fünf Melodien, die ähnliche Intervallschritte haben, miteinander verbunden“, versucht Jonas Windscheid den ästhetischen Reiz dieser Komposition zu erklären. „Dann habe ich Changes dazu gesucht, und so ist das Stück entstanden.“

Jonas Windscheid

Ein Stück namens „Ven“ sucht man auf dem Album allerdings vergeblich. Ven ist eine schwedische Insel, die in der frühen Neuzeit aber zu Dänemark gehörte.

„Tycho Brahe war ein dänischer Astronom des 16. Jahrhunderts“, holt der Gitarrist bei der Erläuterung des Albumtitels etwas aus. „Er hat eine Supernova gesehen und daraufhin ein neues Fernrohr entwickelt, mit dem man solche Erscheinungen besser beobachten konnte. Der dänische König hat ihm eine Insel inklusive Sternwarte und eigener Buchdruckerei geschenkt, auf der er seine Forschungen frei von materiellen Erwägungen fortsetzen konnte. Das ist für mich eine Parallele – so einen Freiraum, in dem man sich über nichts mehr Sorgen machen muss, hätte ich auch gern, und deshalb habe ich die Platte nach dieser Insel genannt.“

An den Jazz ist Jonas Windscheid nicht zuletzt durch sein musikalisches Elternhaus geraten.

„Zuerst habe ich mir den Kontrabass von meinem Vater geschnappt und irgendwelche Basslines von Mr. Big gespielt“, erinnert er sich. „Mit vierzehn war ich dann Fan von den Smashing Pumpkins und wollte Rockgitarre spielen. Mein Vater hatte allerdings den Schrank voller Jazzplatten und war auch mit Düsseldorfer Jazzmusikern wie Wolfgang Engstfeld und Peter Weiss befreundet. Auf einer Party habe ich mal erlebt, wie Jazzmusiker spontan zu ihren Instrumenten griffen und miteinander Musik machten – das fand ich total geil. Spätestens da wollte ich Jazz lernen. Ich hörte damals Weather Report und wusste, mit Pentatonik kommt man da nicht weiter. Daraufhin hat Uli Engstfeld mir ein bisschen was gezeigt und mir empfohlen, zu Philipp van Endert zu gehen.“

Nach einem Diplom in Essen beschloss Windscheid, in Basel weiterzustudieren. „Ich hatte gehört, dass in Basel Wolfgang Muthspiel unterrichtet und auch Jorge Rossy, der Drummer, der damals bei Brad Mehldau im Trio gespielt hat“, erzählt er. „Das hat mich total angemacht, und ich dachte, da gibt’s noch was zu lernen.“

Windscheid hat in Basel allerdings nicht nur gelernt und sein Studium mit dem Master of Arts abgeschlossen, sondern auch reichlich Kontakte geknüpft und zum Beispiel mit der Band Klangquadrat des Saxofonisten Cédric Gschwind zwei CDs für Unit Records eingespielt. Nach fünf Jahren Basel lebt Jonas Windscheid mittlerweile in Köln. Aber natürlich ist die Verbindung in die Schweiz wegen Paintbox nach wie vor eng.

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Text
Rolf Thomas

Veröffentlicht am unter 110, Heft, Next Generation

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