Benedikt Koch Quintet

Wahrheit gibt es nirgendwo

25 Jahre Jazz thing, (fast) 15 Jahre „Jazz thing Next Generation“: Die 74. Ausgabe der CD-Reihe stammt vom Quintett des Kölner Saxofonisten und Komponisten Benedikt Koch, das mit seinem Album unter dem rätselhaften, widersprüchlichen, aber auch witzigen Titel „True In No Possible World“ (Double Moon/in-akustik) debütiert. Traumwandlerisch sicher spielt die Fünferbande eine Musik, die einen Sinn für vergangene Jazzepochen hat, sich aber modernen impressionistischen Einflüssen nicht verschließt.

Benedikt Koch Quintet - True In No Possible World (Cover)

Der Albumtitel „True In No Possible World“ ist ein kleines Rätsel, das einem Bandleader Benedikt Koch aufgibt. Der Satz hat zu tun mit der sogenannten Modallogik, die sich mit den Folgerungen von Begriffen wie „möglich“ oder „notwendig“ befasst. Wer will, kann also die grauen Zellen rauchen lassen, man kann sich aber auch einfach der Schönheit dieses Satzes hingeben. „Ich habe den Titel vor allem deshalb gewählt, weil er phonetisch zu meiner Musik passt“, sagt der 30-Jährige mit verblüffender Offenheit.

Benedikt Koch ist in einer Kleinstadt in der Nähe von Darmstadt aufgewachsen und hatte zunächst Klavierunterricht, bevor er im fünften Schuljahr zum Saxofon griff.

„Das Instrument fand ich vom Klang vielseitig und interessant“, erinnert sich der Musiker. „Im Gegensatz zu Trompete oder Posaune war es auch überall präsent, selbst viele Rockbands verfügen über einen Saxofonisten.“

Nach Erfahrungen in diversen Schul-Bigbands, in denen Stücke von Duke Ellington oder Count Basie auf dem Notenständer lagen, hat Koch in Weimar Jazzsaxofon studiert und vor drei Jahren seine Diplomprüfung mit Bestnote abgelegt.

„Weimar war eine schwierige Zeit für mich“, sagt der Saxofonist rückblickend. „Die Szene dort ist doch sehr überschaubar, und nach dem Studium orientieren sich fast alle in Richtung Leipzig oder Berlin, weil es in Weimar einfach keine Auftrittsmöglichkeiten gibt.“

Schon vor seinem Studium hat Benedikt Koch sich als Mitglied des Landes-Jugend-Jazz-Orchesters Hessen sowie als Preisträger beim Landeswettbewerb „Jugend jazzt“ bereits einen Namen gemacht. Heute lebt er in Köln, wo das Benedikt Koch Quintet Wirklichkeit wurde. Mit Pianist Felix Hauptmann und Bassist Reza Askari spielt der Saxofonist bereits seit Längerem zusammen, Trompeter Matthias Schwengler und Schlagzeuger Fabian Arends (Schmid’s Huhn, Hendrika Entzian Quartett) machen die Band komplett.

„Menschlich komme ich super klar mit meinen Musikern“, erzählt Koch. „Reza kenne ich seit zehn Jahren, wir haben uns noch in Hessen kennengelernt, und Felix habe ich in Köln kennen- und schätzen gelernt, ein echter Glücksfall. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden, und er weiß genau, wie er meine Kompositionen zum Klingen bringen muss. Da ich sowieso eher ein sensibler Typ bin, muss ich mich in so einem Bandgefüge wohlfühlen, um mich adäquat ausdrücken zu können.“

Benedikt Koch

Dass Koch sich offensichtlich wohlfühlt, machen Songs wie das fast schon philosophisch klingende „See The Years Passing By“ – Koch ist vor einem Jahr Vater einer Tochter geworden – genauso deutlich wie das matt schimmernde „Glowing Carefully“ oder das rhythmisch komplexe „Stuck in Samsara“.

„Ich habe mich in den letzten Jahren sehr mit dem Komponieren auseinandergesetzt“, erzählt der Bandleader. „Das ist eine Sache, die mir sehr am Herzen liegt, und ich möchte vor allem als Komponist weiterkommen.“

Sein Quintett bewegt sich mit traumwandlerischer Sicherheit durch die nicht immer einfachen Kompositionen des Bandleaders. Dabei sollte man aber nicht glauben, dass die acht Stücke aus Kochs Feder irgendwie verkopft, schwer verdaulich oder sonstwie vorwiegend mathematisch konstruiert klängen – eher das Gegenteil ist der Fall: Sanft schillernde Klangfarben und fein regulierte Empfindungen machen den Sound des Benedikt Koch Quintets aus.

Die Frontlinie mit den zwei Bläsern erinnert an vergangene Jazzepochen, an vielen Stellen des Albums machen sich aber vor allem impressionistische Einflüsse bemerkbar. Improvisationen, aber auch ein Sinn für den erzählerischen Gehalt von schönen Melodien stehen im Mittelpunkt der Musik, die auf „True In No Possible World“ zu hören ist. Die Rhythmusgruppe Arends/Askari/Hauptmann kann grooven, aber auch sphärisch schweben, und die beiden Bläser prägen eine erstaunlich reife und ungewöhnlich spannende Musik, die hoffentlich doch in unsere Welt passt. Der Welt und dem Benedikt Koch Quintet wäre es jedenfalls zu wünschen.

Text
Rolf Thomas

Veröffentlicht am unter 125, Heft, Next Generation

Deutscher Jazzpreis 2025