Pasta & Sugo alla [em]

Die normative Kraft der Pasta

Erst machten sie die Nudeln platt, dann waren unser Chef-Gourmet Dieter Ilg und die drei von [em] mutmaßlich selbst platt. Lecker ist eben manchmal alles andere als „light“ – in Berlin wie in Schwäbisch Hall oder im Piemont.

Eva Kruse

Berlin, Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin… tönt es aus diversen Fußballkehlen. Nicht die Cleversten in Menschengestalt, definitiv nicht die Dümmsten. Ballverrückt und pokalgeil lungert die Masse hinter Absperrgittern in alkoholgeschwängerter Luft und schreit sich die Seele aus dem Leib. Sei sie noch so arm und in Schwarzweiß gefärbt. Persönliche Sichtweiten. So findet im Frühling der eine oder andere und die eine oder andere den Weg in Wowereits Regierungsbereich, wo all die Merkels, Seehofers und Westerwelles ihre Hände nicht schmutzig machen wollen. Stattdessen gibt es Brot und Spiele.

Doch nun ist es herbstlich, und es finden sich Pasta und Soße. Ein Grund, in Eva Kruses Dachwohnung auf schwarzweißen Küchenfliesen der Nudelherstellung und Sugogewinnung beizuwohnen. Ememem… zu dritt wird hier gewerkelt. Auch ohne Pokal.

Der Autor verwechselt Vorder- mit Hinterhaus und läuft somit Punkt 20 Uhr zwölf Stockwerke hoch. Macht der gar nichts außer im Dutzend?

Eric Schaefer und Dieter Ilg

Eric Schaefer überholt mich auf der letzten Stufe, schnurstracks an Eva vorbei in die Arme von Michael Wollny. Das ist das Trio, welches es zu kochen gelüstet. Mir dünkt gerade, dass der ECHO 2011 doch in Schwäbisch HALL stattfinden sollte. Mit knuspriger Schulter von der schwäbisch-hällischen Sau als Catering-Höhepunkt. Schon wieder Punkt. Komma. Strich. Aus. Amen. Beim Wort Schwein werde ich aufgeklärt. Eric ist seit 18 Jahren Vegetarier, als Buddhist auch aus ethischen Gründen. „Eigentlich esse ich alles außer Schweinefleisch“, meint Eva. Zartes Filet aus Fisch oder Fleisch ist ihr genehm. „Ich bin picky…“ Die Bassistin mit dem paradiesischen Vornamen lacht. Butter wie Schlagsahne sind ihr auch ein Pläsier. Als große Süßspeisenliebhaberin frönt sie dem einen oder anderen Kuchen. Wer möchte es ihr verdenken? Auch ich würde für Heidesand Meilen gehen…

Michael wiederum ist neben dem berühmten Heuschnupfen von der einen oder anderen Lebensmittelallergie geplagt: Haselnuss, Apfel, jegliches Steinobst wie Pfirsich oder Kirschen. Auch die Milchzuckerunverträglichkeit muss bewältigt werden. Sodenn wird es heute geben: Pasta alla Norma mit selbst gemachten Nudeln, dazu einen Salat des Hauses und eine Apfeltarte aus Mürbeteig. Die entsprechenden Rezepte sind wie zumeist unten angefügt. Ave.

Eva erwähnt ihre Beschäftigung mit der Traditionellen Chinesischen Medizin. Holz, Feuer, Metall, Wasser, Erde als Quintessenz. Quittenessenz. Wortspiel – Musikspiel. Puls- und Zungendiagnose. Akupunktur. Der so genannte Westen hat diese Art der Heil- und Glaubensfragen in den letzten Jahrzehnten begierig aufgesaugt, wohl auch in Ermangelung und dank Zerstörung der eigenen Heilkräutermedizin. Statt Unkraut zu rupfen heißt es nun: im Rückenstudio lupfen – äußerst frei nach dem feinen Heinz Erhardt.

Eric packt die von seiner Mutter geerbte Nudelmaschine aus und fragt gleichzeitig nach einer Plastikschüssel für seinen Teig. Perkussives Kneten mit leichtem Beckenkreisen. Michael schlängelt sich tastend durchs enge Küchental. Für die im Pariser Moderestaurant Maxim bekannt gewordene (im Original in der Kupferpfanne im Backofen gegarte) Tarte des Demoiselles Tatin hat er die Teigführung bereits hinter sich. Nun heißt es für den Tastentaster Äpfel schneiden, in dünne Scheiben. Evas Sugo brodelt auf leichtem Feuer bereits seit einer gefühlten Ewigkeit vor sich hin. Rühren, rühren, rühren und immer wieder abschmecken ist die Devise. Eric nimmt nun die einzelnen Teigstücke, plättet sie grob vor und führt diese durch die anfangs noch weit auseinanderstehenden Walzen. Hernach mit immer kleiner werdendem Walzenabstand wiederholend. So werden die Teigplatten nach und nach dünner und auf dem ganzen Küchentisch auf etwas Mehl niedergelegt, quasi zwischengelagert.

Foto
Caroline Pitzke

Veröffentlicht am unter 86, Jazz cooks

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