Stéphane Belmondo

Musikalische Gedankenübertragung

Sie nennen ihn Frankreichs Antwort auf Roy Hargrove und tun ihm damit eigentlich ziemlich unrecht.

„Ich habe jahrelang bei Michel Legrand Songs von Barry White oder Diana Ross gespielt, aber auch mit dem Rockmusiker Alain Bashung oder dem House- und Electro-DJ Frédéric Galliano“,

Stéphane Belmondo (by Laurent Seroussi)listet Stéphane, mit 45 Jahren der jüngere der Belmondo-Brüder (Lionel ist 49 und spielt Saxofon) seine genreübergreifenden Verdienste auf. Dazu kommen noch Kollaborationen mit Gil Evans, Dee Dee Bridgewater, Horace Silver, Omar Sosa, Avishai Cohen und dem brasilianischen Sänger Milton Nascimento. Also doch kein astreiner Bebop- oder Hardbop-Trompeter, kein Nachfahre Freddie Hubbards, Lee Morgans oder Kenny Dorhams, als den sie ihn in seiner gallischen Heimat schon seit Ende der 90er-Jahre feiern?

„Nein, eigentlich nicht. Das würde mich zu sehr einengen. Ich könnte mir sogar vorstellen, eines Tages wieder ganz seriös zur Klassik zurückzukehren. Dort hat schließlich alles für meinen Bruder und mich angefangen.“

Klingt wie eine sanfte Drohung: Lasst mir die Luft zum Atmen. Muss ja keineswegs bedeuten, dass Stéphane Belmondo deshalb gleich von der Fahne geht. Mit „The Same As It Never Was Before“ (Verve/Universal) veröffentlicht der sensible Kraftprotz jetzt ein Album, das vom Gestus her durchaus an die Blue-Note-Geniestreiche der Roaring Sixties erinnert, aber dennoch erstaunlich frisch, zeitgemäß und persönlich klingt. Dies sei vor allem das Verdienst von Kirk Lightsey (Piano) und Billy Hart (Drums), schwärmt Belmondo. Zwei mit allen Wassern der Jazzgeschichte gewaschene Ikonen, die mit dem Bassisten Sylvain Romano seinen musikalischen Fantasien Gestalt verleihen.

„Unglaublich! Sie spielten exakt das, was mir durch den Kopf ging, als ich es komponierte!“

So wandeln die beiden jüngeren Franzosen mit zwei erfahrenen US-Haudegen durch eine geheimnisvolle, blühende Klangwelt, in der Balladen mit Hard-Bop-Trieben, ethnischen Knospen, Motown-Soul-Blüten und Free-Disteln gen Himmel ranken. Dass Belmondo neben Trompete und Flügelhorn auch noch auf Muscheln bläst, verstärkt die Wirkung des genetischen Fingerabdrucks in seinem kleinen Meisterwerk obendrein. Dabei macht er doch exakt dasselbe wie immer. Mit dem Unterschied, dass es niemals zuvor derart grandios gelang wie hier.

Text
Reinhard Köchl
Foto
Laurent Seroussi

Veröffentlicht am unter 95, Feature, Heft

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