Bobo Stenson Trio

Indicum

(ECM/Universal)

Bobo Stenson Trio - IndicumHolla: Was hat Wolf Biermann mit Jazz zu tun? Alles hätten wir auf der neuen CD von Bobo Stenson erwartet, Tin-Pan-Alley-Songs, nordische Folklore (was tatsächlich in Gestalt von „Ubi Caritas“ aus der Feder von Ola Gjeilo vorkommt), vielleicht noch Bill Evans (auch hier liegt die Vermutung mit „Your Story“, der Hommage an Paul Motian, richtig). Aber ausgerechnet „Ermutigung“, die bekannteste Ballade des Preußischen Ikarus, glimmt auffällig hell auf der Klaviatur des schwedischen Tastenkünstlers. Dabei intoniert eher Anders Jormins Bass den kämpferischen Refrain, bei dem man unweigerlich die Textzeilen mitsummen muss: „Du, lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit. Die allzu hart sind, brechen, die allzu spitz sind, stechen und brechen ab sogleich.“ Um den Mut zur Verletzlichkeit, die Freiheit, einfach loslassen zu dürfen, geht es in der Tat auf „Indicum“, Stensons erstem Album seit vier Jahren. Die Freiheit, nicht immer nur in Konventionen zu funktionieren, Erwartungshaltungen zu befriedigen, sich nicht selbst zu kopieren. Deshalb erschließen sich der Pianist, Jormin und Schlagzeuger Jan Fält auf leisen Pfoten einen neuen Zugang zur Kollektivimprovisation. Sie machen sich abseitige Themen zu eigen, agieren free, ohne sperrig zu wirken, und schaffen eine warme Atmosphäre, in der auch der Hörer nicht wie ein überflüssiger Statist danebensteht. Ermutigend.

Text
Reinhard Köchl
, Jazz thing 96

Veröffentlicht am unter Reviews

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