Birgitta Flick Quartet
Landschaftsmalerei
Dem Vornamen des jüngsten Neuzuganges unserer Reihe „Jazz thing Next Generation“ begegnet man in Schweden oder Island: Birgitta ist eine alte Form des noch älteren keltisch-gälischen Brigid. Scheint ganz gut zu passen, denn die Tenorsaxofonistin Birgitta Flick hat in Schweden jede Menge Inspirationen für ihre Musik gefunden. Doch die Sache mit dem Vornamen hat sich im Interview ganz schnell erledigt.
„Nein, das habe ich mir nicht ausgesucht“, sagt Birgitta Flick am Telefon. „Es ist wirklich nur ein Zufall, dass ich so heiße.“ Das war’s dann auch mit der Symmetrie zwischen dem nordischen Vornamen und der besonderen Sympathie, welche die junge Komponistin für Schweden hegt. Auf ihrem Debütalbum gibt es manches mit einem deutlichen Bezug zu dem skandinavischen Land.
„Ich habe während meines Studiums ein Erasmus-Semester in Stockholm gemacht und das hat ziemlich viel verändert, es war ein sehr prägendes Semester. Ich habe viele Musiker getroffen, viel gespielt, habe darüber angefangen Schwedisch zu lernen, mich für die Kultur zu interessieren, für die Menschen.“
Was mag sie an der Musikszene dort?
„In Schweden ist in der Musikszene ganz viel miteinander verknüpft. Es gibt viele Jazzmusiker, die sich mit der Volksmusik beschäftigen, viele von ihnen haben einen Background in der Volksmusik. Das ist in Deutschland ganz anders, man hat sich hier nicht mit traditioneller Musik befasst, wenn man als Jazzer unterwegs ist.“
Der schwedische Einfluss lässt sich nicht nur in der Klarheit und Kraft der Kompositionen verorten, in den gelassen wirkenden Skizzen und Bildern, die Birgitta Flick mit ihrer Band entwirft. Da sind auch die Bücher des großen Romanciers Per Olov Enquist, welche die Saxofonistin inspiriert haben; seine wortgewaltige Sprache, seine erzählerische Kunst. Perspektiven, wie er sie entwirft, faszinieren die junge Musikerin:
„der Fluss der Wörter, wie er erzählt, aus dem Inneren heraus, in Kontakt zur Außenwelt. Ich habe ein Stück aus einer Stimmung heraus geschrieben, als ich am Ende eines Buches von Enquist angekommen war, ein anderes, während ich noch mittendrin steckte, ein langsamerer Prozess. Was mich antreibt, ist die Suche nach Zusammenhängen, nach der Wahrheit.“
Leise sagt Birgitta Flick das, aber sehr bestimmt. Und nach einer kleinen Pause kommt wie zur Bekräftigung: „Genau.“
Neben inneren Landschaften hinterlassen auch die äußeren ihre Spuren in der Hand schrift der Saxofonistin. „Skye“ zum Beispiel ist eine Widmung an die Isle of Skye, an Schottland. „Just A Few Clouds“, das mit einem lyrischen Solo an Flicks Tenorsax einsetzt, entstand im Anflug auf Schweden.
Die Kompositionen, die Brigitta Flick mit ihrem Quartett auf dem Debüt vorstellt, klingen selbstbewusst; voller Dynamik und durchdrungen von reifer Gelassenheit wirken die zuweilen liedhaft angelegten Stücke, in denen die vier Beteiligten des Klangkörpers weite Räume für ihr Spiel gewinnen. Bei Andreas Schmidt, dem Pianisten, hat die Saxofonistin während des Studiums lange Unterricht gehabt.
„Ich mag ihn sehr gern und als ich mit einer Band anfangen wollte, mit Musikern, wo ich das Gefühl habe, das trägt sich und kann ganz frei sein, da fragte ich Andreas, ob er dabei sein wollte. Und dann kam Max dazu, den ich auch von der Hochschule kannte, und über Andreas Schmidt schließlich unser Bassist Andreas Edelmann.“
In Max Andrzejewski, der mit dem Quartett Ebene Null im vergangenen Jahr ein tolles Album herausbrachte, und Edelmann verfügt die Bandchefin über mehr als ein Rhythmusduo; die beiden Melodiker nehmen ihren Platz neben Saxofon und Piano auf Augenhöhe ein.
„Ich schreibe Musik für diese Band und weiß, wie jeder tickt. Meistens ist es so, dass wir nichts festlegen, dass wir einfach pro bieren. Ich komme mit einer Idee im Kopf, einer Farbe, einer Stimmung und ich weiß zugleich, dass es sich jederzeit anders entwickeln kann. Und ich weiß aber auch, dass wir auch dann immer zu sammen sind, egal, wie es sich entwickelt.“
Für die Aufnahmen zu „Yingying“ (Double Moon/New Arts Int.) ist das Quartett zu Walter Quintus gegangen, in die fattoria musica bei Osnabrück. Flick kannte den Produzenten von Aufnahmen mit Dave Liebman und anderen.
„Ich bin mit dem Ergebnis total glücklich, weil alles so plastisch klingt. Dieser Aufnahmeort liegt ganz abgeschieden; man hat dort viel Ruhe. Das passte gut.“
Abgeschieden liegt auch die Gegend, in der die heute in Berlin lebende Birgitta Flick aufgewachsen ist: Neubrandenburg. Nach Blockflöte und Klavier ergänzte sie mit 13 ihr Instrumentarium um das Saxofon, wurde vier Jahre später in die Obhut der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ übernommen, gewann nach dem Studium mehrere Preise, darunter im vergangenen Jahr mit ihrer erweiterten Band Flickstick den Jazz Baltica Förderpreis, und ist natürlich auch in anderen Projekten aktiv wie etwa dem Quintett ihres Freundes Nico Lohmann, dessen Debüt kürzlich in Jazz thing vorgestellt wurde.
„Weshalb ich das alles mache, warum ich mich intensiver mit Musik befasst habe, mich mit Jazz eingelassen habe, das hat alles sehr viel mit meinem ers ten Saxofonlehrer zu tun. Der heißt Andreas Rosin. Wo ich herkomme, da gibt es nicht viel mit Jazz. Doch mein Lehrer hat immer Workshops veranstaltet, einen mit Aufnahmen vollgestopft. Ohne den hätte ich das alles vielleicht gar nicht angefangen.“