Hans Anselm Big Band

Liquid Circle

Bigbands sind eine Seltenheit in der „Jazz thing Next Generation“-Reihe. Umso schöner, dass die Hans Anselm Big Band aus Berlin auch noch ziemlich großartig ist. Aber wer ist eigentlich Hans Anselm?

Hans Anselm Big Band – Liquid Circle (Cover)

Einen namengebenden Musiker sucht man in der Hans Anselm Big Band vergebens. „Die Band geht auf unser Quintett zurück“, erzählt Gitarrist Benedikt Schnitzler, der das Hans Anselm Quintett einst mit der Pianistin Anna Wohlfarth gegründet hat.

„Hans Anselm ist so eine Art imaginärer Freund. Er spielt nicht mit, aber er ist immer da. Er ist so eine Art kollektives Bewusstsein der Bandmitglieder, das immer präsent ist.“

Sehr geheimnisvoll – gleichzeitig dürfen sich Schnitzler und Wohlfarth, die die Band gemeinsam leiten, darauf einstellen, dass sie den Namen ihres Ensembles in Zukunft noch oft erklären müssen. Musiker aus Berlin, Hamburg und Dresden haben sich versammelt – darunter Tenorsaxofonist Marc Doffey und Schlagzeuger Leon Griese –, um sieben Schnitzler- und Wohlfarth-Kompositionen für „Liquid Circle“ (Double Moon/in-akustik) einzuspielen.

Aufgenommen wurde das Ganze in Grieses Studio, und es klingt nun wie kaum eine Bigband, die man kennt. Vielmehr kreiert die Band mit dem Klangapparat einer Bigband einen Sound, der zart und ätherisch klingen kann, aber auch laut und intensiv. Die Vermischung der verführerischen Texturen, die ihnen zur Verfügung stehen, gelingt Schnitzler und Wohlfarth jedenfalls meisterlich.

„An den Kompositionen sitzen wir schon eine Weile“, gibt der Gitarrist zu. „Eigentlich habe ich keinen Bigband-Background, ich habe allerdings eine Zeit lang in der Charlottenburger Bigband von Christof Griese gespielt. Das fand ich sehr faszinierend, weil sie nicht nach einer klassischen Bigband klingt.“

Anna Wohlfarth hat dagegen schon ganz früh angefangen. „Bei mir war es ganz klassisch die Schul-Bigband“, grinst sie. „Da komme ich her, und von daher war es für mich klar, dass ich auch selbst mal eine Bigband haben will.“ Die typischen Vorbilder, die man von jungen Bigbands oft hört – Maria Schneider, Bob Brookmeyer, Vince Mendoza –, fallen im Gespräch nicht. „Vorbilder im Bigband-Bereich habe ich wenige“, gibt Benedikt Schnitzler offen zu. „Ich interessiere mich aber sehr für zeitgenössische progressive Popmusik, Dubstep etwa. Das inspiriert mich auch, wenn ich für die Bigband schreibe. Das Stephan Schultze Large Ensemble ist aber sicher eine Bigband, die wir beide cool finden.“ Seiner Kollegin fällt dann noch ein Name ein: „Für mich war auf jeden Fall Ed Partyka prägend“, sagt Anna Wohlfarth. „Den habe ich viel gehört, und mir gefällt vor allem seine Soundvorstellung. Ansonsten höre ich auch eher Popmusik. Wir schreiben beide gerne Sachen, die nicht unbedingt für eine Bigband typisch sind. Ich finde es auch interessant, wenn die Bläser nur einen Ostinatoteppich hinlegen und darüber passiert dann etwas anderes. Wir experimentieren gerne.“

Hans Anselm Big Band

Dass diese Experimente außerordentlich gelungen sind, hat nicht nur Jazz thing bemerkt. Schon vor zwei Jahren hat Anna Wohlfarth den Jazzpreis der Karl-Hofer-Gesellschaft für Komposition gewonnen, die Hans Anselm Big Band war außerdem 2018 Preisträger bei der International Big Band Competition in den Niederlanden. Besagten Dubstep-Einfluss findet man beispielsweise im nervös zischelnden Schlagzeug auf „Demons“, wo außerdem eine unheimliche Stimme einen poetischen Text rezitiert, bevor sich chaotisch-fröhliche Bläsersätze miteinander verzahnen.

„Obwohl wir beide sehr unterschiedlich an die Musik herangehen, passen unsere Stücke gut zusammen und ergeben durchaus einen eigenen Bandsound“, findet Benedikt Schnitzler und macht damit einen Punkt, denn obwohl jedes der sieben Stücke auf „Liquid Circle“ eine ganz eigene Klangsprache besitzt, hat das ganze Album doch einen deutlich erkennbaren Gruppenklang. „Bei mir stehen eher Melodien und Akkorde im Vordergrund, Benedikt geht oft von einem Groove oder Rhythmus aus“, benennt Wohlfarth die Unterschiede der beiden Bandleader – gleichzeitig hat sie eine Gemeinsamkeit ausgemacht: „Wir beide verwenden aber eine ähnliche Harmonik.“

Schnitzler und Wohlfarth sind beide noch sehr jung, weshalb sie sich auch nicht viele Gedanken über den logistischen Wahnsinn gemacht haben, dem man sich aussetzt, wenn man eine 18-köpfige Bigband gründet. Dass das Ganze ein Kraftakt ist, haben sie mittlerweile gemerkt, aber: „Wenn man auf der Bühne steht und spielt, merkt man, dass es den ganzen Aufwand wert war“, findet Anna Wohlfarth.

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Text
Rolf Thomas

Veröffentlicht am unter 132, Heft, Next Generation

Deutscher Jazzpreis 2025