Orchestre National De Jazz
Dancing In Your Head(s) / Rituels
(beide: ONJ Records/onj.org)
Vergnügen kann etwas Fortgeschrittenes sein. Für das Programm „Dancing In Your Head(s)“ engagierte Frédéric Maurin den exaltierten Arrangeur Fred Pallem von Le Sacre Du Tympan, der aus Anlass des Festivals Jazzdor Strasbourg–Berlin 2019 Stücke und Stimmung eines gleichnamigen Ornette-Coleman-Albums von 1977 für das ONJ upgraden sollte. Die Suche von damals, zwischen Gnawa, Fusion und Free das Harmolodische zu entdecken, wird mit großem Ensemble live im Berliner Kesselhaus zu einer intellektuell überbordenden Orgie orches-traler Fülle. Von der Vorlage ist wenig übrig, dafür lässt Maurin als Einstand seiner Arbeitsphase mit dem französischen Profiklanglabor Colemans Kompositionen zu einer Dichte anschwellen, die im Konzerterleben von der Bühnenenergie lebt, auf Tonträgern aber wenig transparent und überladen wirkt. Ähnlich wie das Doppelalbum „Rituels“, das als zweite Veröffentlichung des Orchesters ein Kollektivwerk für 13 Instrumentalist/-innen und Chorstimmen vorstellt. Diesmal ein bei den Bauers in Ludwigsburg aufgenommenes Studiowerk, erinnert die Musik an die Phase der ARFI, als experimentelle Stilsuche mit Humor als eurojazziger Eigenweg zwischen zeitgenössischer Komposition, Mythen und Improvisation präsentiert wurde. Acht Stücke, sechs Komponist/-innen und eine Tradition des gehauchten, gesungenen, montierten und freien Flusses vermengen die Möglichkeiten von Farbe, gestalterischer Progression, Struktur und qualifizieren das ONJ als zeitgenössisch post-improvisatorischen Gast für Donaueschingen.