Ambrose Akinmusire
On The Tender Spot Of Every Calloused Moment
(Blue Note/Universal)
Böse Zungen könnten Ambrose Akinmusires neues Album für einen Gemischtwarenladen halten: zusammenhangslos, eklektizistisch, ohne Zentrum. Und all das wäre sicher der Kritik wert, wäre es nicht genau so beabsichtigt. In der amerikanischen Jazzszene setzt sich immer mehr die Philosophie des Mixtapes durch, das dem Jazz seine ursprüngliche Spontaneität und Hörernähe zurückgeben soll. Warum also in großen Konzepten denken, wenn die Tracks am Ende doch separat in den Playlists landen? Akinmusire fügt auf seiner neuen CD ein Spektrum ganz unterschiedlicher Lichteinfälle zusammen. Es beginnt mit einer elegischen Free-Jazz-Nummer, bei der man sich beinahe fragt, ob man die richtige CD eingelegt hat, und reicht über handfesten Post-Bop bis zu Ambient-, HipHop- und Drum‘n'Bass-infizierten Nummern. Letztlich ist es ihm schnuppe, welchen Aufkleber man seinen Stücke verpasst, solange seine Handschrift als Individuum erkennbar bleibt. Und gerade in dieser Hinsicht ist das Album eben doch kein Gemischtwarenladen, sondern Akinmusires konzeptionell komplexestes Projekt seit vielen Jahren.