Chico Buarque: 70

'Chico' von Chico BuarqueChico BuarqueAm heutigen Donnerstag, 19. Juni, feiert der brasilianische Sänger und Autor Chico Buarque seinen 70. Geburtstag. Als Jugendlicher wäre er fast Fußballprofi geworden, doch geprägt von der Bossa Nova tritt der Philologensohn 1966 bei einem nationalen Songwettbewerb mit „A Banda“ an, im Deutschen mit France Gall zu „Zwei Apfelsinen im Haar“ banalisiert. Der Erfolg lässt ihn sein Architekturstudium abbrechen, er schreibt weitere Hits wie „Carolina“, „Essa Moça Tão Diferente“ und „Roda Viva“, geht mit poetischen Bildern gegen die beengende Atmosphäre unter der Militärdiktatur an. Musikalisch bleibt er konservativ: Während die Tropikalisten sich in Klangexperimente stürzen, werfen sie Buarque vor, sein Sound, geprägt von eleganten Bossa- und Samba-Arrangements sei anachronistisch. Doch seine geschliffenen Texte machen ihn trotzdem unberechenbar für die Staatsmacht: 1968 wird er verhaftet und ins Exil nach Italien gedrängt.

Auch nach seiner Rückkehr bietet er den Machthabern die Stirn und schreibt mit „Construção“ ein bitter hämmerndes Gedicht über die Tretmühle im Wahnsinn der Diktatur. Buarque trickst unter Pseudonym, schreibt für Film und Bühne, zum Beispiel die „Ópera Do Malandro“, seine Version der Dreigroschenoper. Und er produziert weiterhin MPB-Klassiker auf elaborierter Samba-Basis wie „O Que Será“ und „Meu Caro Amigo“, das in Form einer gesungenen Postkarte ein zynisches Bild vom Brasilien der 1970er zeichnet. Als die Demokratie wieder Einzug hält, Mitte der 1980er, bleibt er kreativ mit einem Album pro Jahr, engagiert sich aber auch für die Landlosenbewegung und fühlt sich unter der neoliberalen Regierung von Cardoso weiterhin den Linken verpflichtet. Sein Schaffen als Schriftsteller verstärkt sich, angefangen mit dem Roman „Estorvo“ (deutsch: „Der Gejagte“), preisgekrönt wie die späteren Bücher. Buarque wird zur Institution: Maler, Fotografen, Regisseure lassen sich durch seinen gewaltigen Liedkorpus inspirieren, er wird Sujet der Sambaschule Mangueira.

Bis heute ist Chico Buarque auf verschiedensten Terrains aktiv: Aktuell zählt er in seinem Werk das 45. Album, es trägt den schlichten Titel „Chico“, eingespielt hat er es mit intimer Besetzung zuhause, als Log- und Tagebuch der Facetten der Liebe und des Bohème-Daseins. In seinem jüngsten, vierten Roman, der letztes Jahr auf Deutsch als „Vergossene Milch“ erschien, lässt er einen 100-Jährigen Brasiliens Historie Revue passieren. Und auch dem Fußball ist er treu geblieben: Nach wie vor spielt er mehrmals die Woche in einer Altherrenmannschaft mit Ex-Stars wie Zico und Junior. In seinem Stück „O Futebol“ heißt es, der Fußballspieler sei nicht weniger als ein Komponist, oder ein Maler, und der Torschuss ein vom Bogen abgefeuerter Pfeil.

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Text
Stefan Franzen

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