David Friedman

In unbekannte Welten träumen

Der Albumtitel „Weaving Through Motion“ (Traumton/Indigo) lässt sich wörtlich nehmen: Mit jedem der zwölf Stücke spinnt David Friedman auf dem Vibrafon einen imaginären Faden, um am Schluss einen farbenprächtigen Gobelin zu weben; mit Friedmans frei fließender Improvisationskunst als Webspindel.

David FriedmanEr unterrichtet auch heute noch gerne. Gut zwei Jahre nach seiner Emeritierung als Professor für Vibrafon am Jazzinstitut Berlin gibt David Friedman weiterhin Stunden für Privatschüler und lehrt in Workshops. Der Unterricht und vor allem seine jüngeren Schüler würden ihn frisch halten, sagt der 1944 in New York geborene Vibrafonist.

„Ich habe mich nie als Lehrer gesehen, der seinen Studenten bloß Informationen liefert. Vielmehr bin ich Wegbegleiter für meine Schüler, weil wir während des Unterrichts auf einer gemeinsamen Reise sind. Dadurch findet zwischen meinen Studenten und mir ein Transfer statt. Unterrichten gehört für mich als improvisierender Musiker dazu, weil ich dabei genauso viel lerne wie die Studenten.“

Eine Vorstellung, die Friedman auch für seinen „musikalischen“ Vortrag übernimmt, gleichgültig, ob er im Studio eine CD aufnimmt oder live auf der Bühne steht. Er begreift sich als Pfadfinder, der auf dem Vibra- und Marimbafon seinem Publikum kreative Impulse gibt, damit sich dieses auf den Weg in neue Welten machen kann. Fantasie ist das Stichwort, mit dem er sein Konzept umreißt.

„Mit meiner Musik rege ich die Fantasie des Publikums an“, ist Friedman überzeugt. „Dadurch, dass improvisierte Musik in der Regel eine Kunstform ohne Worte ist, bekommt das Publikum die Möglichkeit, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Ich gebe auf dem Vibrafon den Anstoß: dass der Zuhörer die Augen schließt, um sich in unbekannte Welten zu träumen.“

Das Konzept ist auch auf Friedmans neuer CD „Weaving Through Motion“ präsent, seiner zweiten Vibrafon-Soloveröffentlichung nach „Air Sculpture“ 1994. Darauf sind ein Dutzend Stücke versammelt, die geradezu sinnbildlich sind für seine Vorstellung als kreativer Improvisationsmusiker. Friedman geht es in seinem Solospiel nicht um das Zurschaustellen von Kabinettstückchen. Vielmehr setzt er seine Virtuosität subtil ein, um mit jedem Stück eine andere Stimmung, eine neue Atmosphäre zu erschaffen – mal, indem er die grundverschiedenen Klangfarben von Vibrafon und Marimba ineinander verschränkt, mal, indem er mit der perkussiven Schärfe beim Anschlag der Metallplatten des Vibrafons experimentiert, dann wieder, indem er mit Overdubs und Loops gleichsam in einen improvisierenden Dialog mit sich selbst tritt. Jedes der zwölf Stücke setzt ihm einen anderen Rahmen, in dessen Grenzen er seine musikalischen Ideen frei fließen lässt. Mehr noch: Jedes der Stücke liefert eine Facette, um dann, nachdem der letzte Ton von „Weaving Through Motion“ verklungen ist, ein funkelndes Kaleidoskop zu ergeben.

David Friedman - Weaving Through Emotion (Cover)Für das Gelingen dieser Solo-CD-Produktion ist Friedman der Traumton-Tontechniker und -Produzent Wolfgang Loos ein unerlässlicher Partner gewesen. Loos ist kein Produzent, der vom Regieraum aus „seinen“ Künstler im Studio maßregelt. Er hat Friedman mit seinen konstruktiven, tiefgreifenden Vorschlägen vielmehr Möglichkeiten an die Hand gegeben, damit sich dieser intuitiv auf dem Vibrafon entfalten kann – der ideale „Duopartner“ für Friedmans Soloexkursionen.

„Irgendwann habe ich im Studio etwas vor mich hin improvisiert, während Wolfgang im Regieraum saß“, erinnert sich Friedman. „Auf einmal rief er: ‚Spiel das noch einmal, das ist wirklich klasse.‘ Ich antwortete: ‚Ich weiß doch gar nicht, wohin das führt.‘ Daraufhin Wolfgang: ‚Egal, das klingt gut, damit können wir weiterarbeiten.‘ So sind einige Stücke der CD entstanden.“

Dass vor allem dann, wenn auf „Weaving Through Motion“ Vibra- und Marimbafon zusammen zu hören sind, Erinnerungen an die Band Double Image – einem Quartett, das Friedman 1977 mit seinem Instrumentalkollegen Dave Samuels gegründet hatte und mit dem er wegen der auch heute noch ungewöhnlichen Kombination von zwei Vibrafonen bzw. Marimbas einige Jahre für Furore sorgte –, wach werden, ist für ihn unbeabsichtigt.

„Ich habe erst hinterher festgestellt, dass ich mich manchmal an die Zeit mit Double Image erinnert fühle“, sagt Friedman. „Dave und ich arbeiten noch immer im Duo, aber nur noch selten. Unser Zusammenspiel hat sich seit Double Image sehr verändert: Wir kommunizieren heute viel freier und ungebundener als vor 35 Jahren.“

Text
Martin Laurentius

Veröffentlicht am unter 106, Feature, Heft

Deutscher Jazzpreis 2025