Alexandra Lehmler & Matthias Debus

Familienband(e)

Um als musizierendes Ehepaar das Duo als Besetzung zu wählen, braucht es Mut. Denn neben den alltäglichen familiären Reibereien kommen noch die kreativen obendrauf. Alexandra Lehmler und Matthias Debus sind dieses Wagnis eingegangen – mit Erfolg, wie ihre erste gemeinsame Platte „Tandem“ (Neuklang/inakustik) zeigt.

Alexandra Lehmler & Matthias Debus

Es ist nicht das erste Mal, dass die Mannheimer Saxofonistin Alexandra Lehmler ihre Familie thematisiert. Auf dem Cover ihres letzten Studioalbums mit dem Vibrafonisten Franck Tortiller und dem Schlagzeuger Patrice Héral 2017, „Sans Mots“, sieht man sie zum Beispiel, die Hände über den Kopf schlagend, im Spielzeugchaos eines Kinderzimmers stehen, der eine Sohn klettert auf das Hochbett, der andere hält etwas ungelenk ein Baritonsaxofon in seinen Händen, während Lehmlers Ehemann (und Bassist in vielen ihrer Bands) Matthias Debus das jüngste Familienmitglied auf dem Schoß hat und das hektische Treiben drumherum kritisch und skeptisch beäugt. Klar, diese Szenerie ist überspitzt – dennoch zeigt sich auch in dieser Überzeichnung ein Stück weit Alltag eines Musiker/innenpaares.

Für das Album „Tandem“ hat das Ehepaar, das seit fast 20 Jahren sowohl privat zusammen als auch gemeinsam auf der Bühne und im Studio zu finden ist, nun die vielleicht ehrlichste, weil intimste Form des kreativen Arbeitens gewählt: die des Duos.

„Seitdem wir uns kennen, spielen wir immer wieder auch im Duo zusammen“, erzählt Lehmler. „Und schon seit Längerem haben wir uns vorgenommen, uns nicht immer nur die Stücke, die wir sonst in größeren Besetzungen spielen, zu zweit vorzunehmen, sondern tatsächlich ein Programm ausschließlich für das Duo zu schreiben.“

Das Duo ist wahrscheinlich auch die COVID-konforme Besetzung schlechthin. Doch wer denkt, dass die Lockdowns während der hinter uns liegenden anderthalb Jahre Coronapandemie auch für ein Mehr an Zeit in der Familie Lehmler/Debus gesorgt hätten, der täuscht sich.

„Corona hat zwar für uns eine gewisse Beruhigung gebracht, weil wir nicht mehr tagtäglich unterwegs sein mussten“, so Debus. „Unsere Kinder waren in der Coronazeit aber natürlich oft und viel zu Hause, und wir haben sehr bald gemerkt, dass wir doch nicht so viel Zeit haben. Deshalb haben wir – als Musiker, weniger als Ehepaar – einen Jour fixe eingeführt, um uns einmal in der Woche abends zusammenzusetzen und als Duo zu proben.“

Um Duette mit zwei linearen Instrumenten wie Saxofon und Kontrabass zu spielen, braucht es ein ausgefuchstes Repertoire. Aufgenommen haben Lehmler und Debus ihr Duoalbum in den Ludwigsburger Bauer Studios, elf Originalkompositionen kamen dann auf die Platte. Dabei haben die beiden nicht nur ihre besonderen Fähigkeiten der interagierenden Antizipation, über die sie auch und gerade als Ehepaar verfügen, ausgespielt, sondern auch die Möglichkeiten der Klang und Materialerweiterung durch das Arbeiten und Experimentieren im Studio voll und ganz auszuschöpfen versucht.

In „Take Off“ wechseln beispielsweise im Overdub aufgenommene, mehrstimmige Gesangsparts mit Duopassagen von Sopransaxofon und gestrichenem Kontrabass ab, in „Ikarus“ wurden verschiedene Holzblasinstrumente als Basis für das Duo ineinandergeschoben und übereinandergeschichtet.

„Mit Saxofon und Kontrabass können wir ja nicht wirklich mehrstimmig spielen, auch harmonisch sind wir recht bald am Ende der Fahnenstange – außer eben zum Beispiel in den Overdubpassagen“, meint Debus. „Deshalb haben wir im Studio anders gespielt als auf der Bühne und so aufgenommen, wie wir es live nicht realisieren würden“, fügt die Saxofonistin hinzu.

Obwohl improvisierte Musik stets auch die Gegenwart reflektiert, so spiegeln die elf „Tandem“-Stücke, wenn überhaupt, nur unbewusst ihre Erfahrungen der Coronazeit, wie beide übereinstimmend erzählen.

„Der Albumtitel soll vor allem ein Verweis auf die Notwendigkeit von Teamwork sein“, erklärt der Kontrabassist. „Ein Tandem funktioniert nur dann, wenn beide mitmachen. Sitzt ein Quertreiber im Sattel, geht das schon nicht mehr.“

Und nicht nur der Titel des Eröffnungsstücks, „Une Hirondelle Ne Fait Pas Le Printemps“ (auf Deutsch: „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“), ist eine Referenz in die Vogelwelt.

„Das Bild vom ‚freien Vogel‘ trifft es am besten, weil das Thema ‚Freiheit‘ für uns stets eine große Rolle spielt“, liefert Lehmler das Stichwort für ihren Ehemann: „Wir haben bei uns zu Hause im Hof viele Schwalben. Die Schwalbe kehrt jeden Frühling an denselben Ort zurück und baut dort wieder ihr Nest. Das ist auch ein passendes Bild für uns als Duo: Wir fliegen los und suchen die Freiheit, behalten aber unsere Homebase aus Komponiertem immer fest im Blick.“

Text
Martin Laurentius

Veröffentlicht am unter 141, Feature, Heft

Deutscher Jazzpreis 2025