Adam Bałdych Quintet & Paolo Fresu
Poetry
(ACT/edel)
PRO
Adam Bałdych ist ein ausgewogener Poet. Folgt man seiner musikalischen Dichtung, dann wird man durch Räume geleitet, die alle mit einem ähnlichen Interieur eingerichtet sind. Es geht um Harmonie, um die Schönheit des Klangempfindens, die selbst im Eifer der Energieentladung gewahrt wird. Da passt es, dass der Geiger sich den Trompeter Paolo Fresu eingeladen hat, einen gleichgesinnten Musiker, der sich aus melodischer Perspektive vor der Ästhetik des Feinen verneigt. Bis auf eine Björk-Adaption spielen sie zwei Handvoll Kompositionen von Bałdych, die angesichts melancholischer Zeiten zwischen Introspektion und verhaltener Hoffnungsstimmung changieren. Modern-jazzige Noblesse wechselt mit dezenter improvisierender Zuspitzung und kontrollierter solistischer Kulmination. Ein höfliches, wertschätzendes Konzept. Poesie, nicht Anarchie.
Ralf Dombrowski
KONTRA
Auch hier auf der Kontraseite könnte der Albumtitel „Poetry“ passender nicht gewählt sein: Wie kaum ein/e andere/r Jazzmusiker/-in aus Europa vereinigt Adam Bałdych auf der Geige das Poetische, das Schöne und das Lyrische. Das wird durch den Gast in seinem ansonsten polnisch besetzten Quintett noch bekräftigt, weil der Italiener Paolo Fresu auf Trompete und Flügelhorn das schöngeistige Melos geradezu verinnerlicht hat. Doch echte, wirkliche Schönheit, so weiß man nicht erst seit Instagram und TikTok, zeigt sich im Makel, der zum Spiegelbild für das Schöne wird und es so richtig strahlen lässt. Insbesondere das Ruppige und Räudige im Klangsetting fehlen dem Album ebenso wie im Zusammenspiel der sechs Musiker von Bałdychs Band. Ästhetischer Kontrollverlust anstelle von Melancholie – und aus „Poetry“ hätte ein richtig gutes Album werden können.
Martin Laurentius