Lucia Cadotsch

Kunst der Beschränkung

Die hat sich aber ganz schön viel vorgenommen. Das mag denken, wer einen Blick auf die Titel von Lucia Cadotschs neuer CD „Speak Low“ (enja/yellowbird/soulfood) wirft.

Lucia Cadotsch (Foto: Michael Jungblut)Große Titel von Billy Holiday (Strange Fruit, Gloomy Sunday), dazu Nina Simone (Ain’t got no, I got life), keine einzige Eigenkomposition. Alles Standards, dazu nur solche von der schwierigeren Sorte, bedeutungsvoll, zeitlos. Ihnen eine eigene Stimme zu geben, wie kann das wohl gelingen, ohne Harmonieinstrument, nur mit Bass und Saxophon als Begleitung?

„Diese Jazz-Standards sind gewissermaßen meine Roots. Ich wollte immer schon etwas machen mit diesen Songs“, so die 33-jährige Sängerin. Ihre Billie Holiday-Tribute-Band in Oktett-Besetzung gab sie wieder auf, sie war ihr „doch zu nah dran am Original.“ Die rettende Idee: Reduktion. Cadotsch schlug dem Bassisten Petter Eldh, ihrem altvertrauten Bandkollegen aus der Jazz-Pop-Band Schneeweiss und Rosenrot, ein Duo vor. Der willigte ein und hatte dann noch „unter der Dusche“ den genialen Einfall, den schwedischen Saxophonisten Otis Sandsjö ins Spiel zu bringen, seines Zeichens Spezialist für Zirkularatmung und subtilste Klangverfärbungen, die er durch Singen ins Instrument erzeugt.

„Bei den ersten Proben hatten wir ständig Gänsehaut“ schwärmt Cadotsch von der entstandenen Band-Chemie. Und in der Tat: In seiner Verbindung von essentiellen Linien und Beats mit unerwarteten Saxophonsounds, mit seinen schnörkellos-feinen Gesangslinien klingt „Speak Low“ wie eine konzeptionelle Kreuzung aus dem Jimmy Giuffre Trio mit den Young Marble Giants. Kolossal.

Text
Artur Freimann
Foto
Michael Jungblut

Veröffentlicht am unter 112, Feature, Heft

Deutscher Jazzpreis 2025