Richie Beirach

Leaving

(Jazzline/Broken Silence)

Richie Beirach – Leaving (Cover)Wer wissen will, wie „Deutschlands wahrscheinlichst glücklichster Jazzmusiker“ (laut Jazz-thing-Porträt in Heft 146) klingt, ist bei der ersten Soloaufnahme von Klaviergroßmeister Richie Beirach seit 1981 bestens aufgehoben: Auf „Leaving“ präsentiert sich der seit seiner Hochschulpensionierung auf einem Bauernhof in der Pfalz lebende 75-Jährige in Bestform. Mit seinem charakteristischen glasklaren Anschlag, seinem Assoziationsreichtum und seinem großen harmonischen Umdeutungsvermögen gräbt der US-Amerikaner beherzt den Boden um bei Standards wie „Round Midnight“ oder streichelt zärtlich die zarten, aus dem Boden sprießenden Keime wie in dem mit Satie flirtenden „Some Other Time“ und dem berührend-verspielten „Blue In Green“. Die französisch wirkende Leichtigkeit mag sich auch dem Auftrittsort verdanken, einem Weingut in der Nähe von Bordeaux. Was bestens zum Genuss des komplex gereiften Beirach passt.

Text
Josef Engels
, Jazz thing 149

Veröffentlicht am unter Reviews

STOP OVER 3 - A Residency Program

Richie Beirach

Leaving

(Jazzline/Broken Silence)

Solo – das ist immer so ein Ding. Entweder man kanns oder man verzettelt sich im Gefühl des überbordenden Selbstbewusstseins. Über Richie Beirachs Qualitäten am Piano muss man nicht mehr diskutieren. Warum er aber – ähnlich wie Kenny Barron – über 40 Jahre von seinem ersten Alleingang am Flügel bis zum nächsten verstreichen ließ, liegt wohl an seiner Philosophie, Musik als kollektiven Kreativprozess zu begreifen. Vielleicht wären ja auch regelmäßige Soloaufnahmen bei weitem nicht so anregend, überraschend und berührend geworden wie nun „Leaving“, das der gerade 76 gewordene Amerikaner im Château Fleur Cardinale bei Saint Emilion einspielte. Beirach nimmt sich – natürlich – die Standards des „Great American Songbook“ vor. Wer aber eine konturlose Reproduktion von Evergreens wie „Nardis“, „Round Midnight“ oder „On Green Dolphin Street“ erwartet, den führt der Wahl-Pfälzer auf völlig abseitige Wege. Schon das Intro von „What Is This Thing Called Love“ allein wäre jeden Kaufpreis wert. Das Manifest eines leidenschaftlichen Visionärs, der den Jazz mit all seinen Geheimnissen verstanden hat.

Text
Reinhard Köchl
, Jazz thing 149

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