Ivan Lins
My Heart Speaks
(Resonance/H'Art)
PRO
Man muss das mögen, diese Streichermeere, die süßliche Klangfärbung, die samtigen, flauschigen Stimmen. Wenn man es mag, dann tut es richtig gut. Doch der Pianist und Sänger Ivan Guimarães Lins, seines Zeichens Generalbevollmächtigter der Música Popular Brasileira, gewährt uns auf „My Heart Speaks“ trotz eines Füllhorns an Saudade nicht ausschließlich Erholung. Der „Congada Blues“ etwa rüttelt arg an der empfindsamen Seele und „Easy Going“ eignet sich mit seinem keck-lässigen Pianospiel gut als Sommer-Sonne-Strand-Klangtapete. Die restlichen neun Tracks, die Lins mit Gästen wie den Vokalistinnen Dianne Reeves und Jane Monheit, dem jungen Sänger Tawanda, Trompeter Randy Brecker sowie dem monströsen 91-köpfigen Tiflis Symphony Orchestra eingespielt hat, sollte man vor allem dazu verwenden, um die Seele baumeln zu lassen. Das Album erhebt keinen Anspruch. Es ist einfach nur … schön.
Reinhard Köchl
KONTRA
Mit zunehmender Reife hat sich der Brasilianer Ivan Lins immer mehr darauf kapriziert, mit Orchestern und Bigbands zu arbeiten. So auch auf „My Heart Speaks“. Stimmlich ist der 78-Jährige noch auf bewundernswerter Höhe: In „Renata Maria“ kniet er mit seinem Timbre einer gestopften Posaune förmlich vor einer Meeresgöttin nieder, in „Easy Going“ folgt er wendig durch Chromatik und Synkopen. Die Auftritte von Gastvokalistinnen, unter ihnen Dianne Reeves oder Newcomerin Tawanda, sind solide, wenn auch die Anglisierung kaum einen Zugewinn bringt. Doch das Problem dieser Scheibe ist ein ganz anderes: Ein 91-köpfiges Orchester, arrangiert vom Deutschen Kuno Schmid, schwingt sich selten mal über einen schmelzenden Schmachtteppich empor, liefert einen oft überproduzierten Disney-Soundtrack. Das degradiert manchen der wundervollen Songs zu Late-Night-Dinner-Musik.
Stefan Franzen