Buch: The Sound Of Rebellion

The Sound Of Rebellion„The Sound Of Rebellion“Auch und gerade heute wird Jazz oftmals auch als politische Musik wahrgenommen. Doch fragt man nach dem Warum, bleiben die Antworten darauf zumeist nebulös. Das will der langjährige Redakteur beim Hessischen Rundfunk und Co-Kurator des Deutschen Jazzfestivals Frankfurt, der 1950 geborene Peter Kemper, ändern. Heute erscheint sein Buch „The Sound Of Rebellion“, mit dem er die Geschichte des afroamerikanischen Jazz als politische Geschichte erzählen will. Dabei ist der Untertitel seines Buchs durchaus wichtig zum Verständnis: „Zur politischen Ästhetik des Jazz“. Kemper zeichnet also nicht nur die Biografien einiger bedeutender Jazzmusiker/-innen nach, sondern versucht, ihren jeweiligen Personalstil vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen und Veränderungen in den USA zu analysieren. Kempers Aufgabe ist es, die Musik der Afroamerikaner/-innen und ihrer Protagonist/-innen in neue und ungewöhnliche Zusammenhänge zu setzen, wie sie vielleicht auf den ersten Blick so nicht zu erkennen gewesen wären.

Kemper geht dabei durchaus chronologisch vor. Er beginnt sein Buch mit Louis Armstrong, macht Station im Bebop und Hardbop und setzt natürlich Wegmarken beispielsweise beim Art Ensemble Of Chicago. „Jazz ist als Innovation von Afroamerikanern entstanden und hat sich im Kontext ihrer Emanzipationsbewegung und ihres Kampfes um Bürgerrechte entwickelt“, ist die Grundannahme seines Buchs. „Als primär afroamerikanisches Akkulturationsprodukt bewegt sich diese Musik immer schon im Konfliktfeld zwischen schwarzer und weißer Politik und Praxis.“

Natürlich sind viele der Musiker/-innen dabei, die man in einem solchen Buch erwarten darf: Max Roach und Abbey Lincoln zum Beispiel, oder Charles Mingus, Archie Shepp und auch Ornette Coleman. Doch interessant und spannend ist das Buch immer dann, wenn Kemper den „Sound Of Rebellion“ dort zu entdecken glaubt, wo man ihn vielleicht nicht erwartet hätte. Zum Beispiel im Bebop der 1940er-Jahre mit Thelonious Monk und Charlie Parker ebenso wie im Hardbop der späten 1950er und frühen 1960er mit Art Blakey. „Der Hardbop von Blakey und seinen Weggefährten lässt sich jedoch ohne die experimentellen Vorleistungen der Bebop-Pioniere nicht vorstellen“, schreibt der Autor: „Afroamerikanische Musiker, die sich in den weißen Swing-Orchestern immer unter Wert behandelt fühlten, konnten jetzt selbstbewusst fordern: ,Macht uns das erst einmal nach!‘ Von dem Pianisten und Bebop-Innovator Thelonious Monk stammt der Ausspruch: ,Wir werden etwas schaffen, das sie uns nicht stehlen können, weil sie es nicht spielen können.“

Das stärkste Kapitel in Kempers Buch ist vielleicht das über Kamasi Washington, das mit „Black Lives Matter – Kamasi Washington und seine HipHop-Hood“ überschrieben ist. Der Autor erläutert Washingtons „Harmony Of Difference“, die ursprünglich eine Multimedia-Performance war, und bringt diese in Zusammenhang mit der Vorstellung von „The Black Atlantic“ des britischen Soziologen und Kulturwissenschaftlers Paul Gilroy. Der versteht die afroamerikanische Diaspora vor allem als einen transkulturellen Raum, in dem sich schwarze Musik als Gegenkultur zum Establishment der weißen Sklavenhalterkultur Amerikas entwickeln konnte. Von dieser Vorstellung ist der Weg nicht weit zur „Black Lives Matter“-Bewegung, die 2013 in den USA entstanden ist und der Washington als schwarzer Saxofonist und Begleiter einiger HipHop-Acts wie Kendrick Lamar eng verbunden ist. „Ich fühle mich als Inbegriff von ,Black Lives Matter‘“, ist Washington überzeugt.

Kempers „The Sound Of Rebellion“ ist beim Reclam Verlag erschienen, hat 752 Seiten und kostet im Buchhandel 38 Euro. Zudem wird der Autor Auszüge aus seinem Buch in Lesungen vorstellen: am kommenden Sonntag, 15. Oktober, beim Enjoy Jazz Festival im Heidelberger Karlstorbahnhof und am 25. Oktober im Rahmen vom NUEJAZZ Festival im Nürnberger Kulturzentrum Auf AEG.

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„The Sound Of Rebellion“

Text
Martin Laurentius

Veröffentlicht am unter News

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