210: Jazz thing Mixtape auf ByteFM
Ein Homöonym ist ein Wort, „das einem anderen Wort in Bedeutung, Schreibweise oder Aussprache ähnelt“. Zum Beispiel die Fan-Favoriten Fehler Kuti, Chet Faker – oder Juju Waldes. Sie können, wie im Falle dieses Mixtapes, zum Beispiel aus einem buchstäblichen Missverständnis entstehen, etwa wenn der Moderator nebenher ein Diktierprogramm laufen lässt. Da wird dann eben der Name des großen kubanischen Pianisten Chucho Valdes zu, silvanischen Juju und aus dem holländischen Gitarristen Reinier Baas wird „rein hier was“. Ein „Ghostrumental“ wird als wie auch immer geartete „goes tomäntel“ erkannt, aus „Fortify“ wird „45“, aus „kapstädtisch“ ein „Cup Stehtisch“, aus „Desmonds Bossa“ dramatisch „Death man’s besser“. Das und vieles mehr gibt es unmissverständlich in unserem Mixtape zu hören, auch mit neuer Musik der Pianistin Myra Melford (Mail fort) und Kollegen wie Vijay Iyer (kein Kommentar) oder Michel Camillo, dazu von Joel Ross, seines Zeichens „der Vibrafonist“ (David Frau von ist), Saxofon-Superstar Nubya (nur ja) Garcia oder von den Zürcher und Lyoner Afrikareisenden David Kildjian (David killt Jan), respektive Okvsho, die das Programm nicht mal buchstabiert verstehen wollte. Allzu viel Angst vor abhörschreibender KI muss man dann wahrscheinlich doch noch nicht haben.
Vibrafonist Joel Ross hat seinen Albumtitel „nublues“ zumindest doppeldeutig kleingeschrieben und dann vielleicht doch eher eindeutig. Der Vibrafonist hat sein viertes Album für Blue Note aufgenommen, unter anderem mit seinem Kollegen Immanuel Wilkens am Saxofon, dessen „early“ dieses Mixtape eröffnet. Es folgt das oben erwähnte „Ghostrumental“ von Vijay Iyer aus dessen neuem ECM-Album „Compassion“. Eingespielt mit Tyshawn Sorey und Linda May Han Oh präsentiert es unter anderem Musik, die Iyer aufgrund poetischer Inspiration der Dichterin Eve L. Ewing aus Chicago für sein Ensemble-Projekt „Ghosts Everywhere I Go“ geschrieben hatte, so natürlich auch diesen geisterhaften Groove. Die britische Überflieger-Saxofonistin Nubya Garcia hat mit „Fortify“ eine neue Single veröffentlicht. Produziert von Kwes ist es, wie sie selbst sagt, mehr als eine musikalische Komposition. „Es ist eine reflexive Praxis, eine Methode, Stärke zu suchen und auch Schutz inmitten der Tumulte des Lebens. Es geht darum, das zu identifizieren was beschützt werden muss und darum, sich selbst kleine Oasen für Freude und Freiheit zu schaffen. Dieses Narrativ ist nicht nur präsent in der Musik; es ist die Musik“.
Zwei Brüder aus Zürich machten sich auf den Weg nach Kapstadt, um dort ein paar Konzerte zu spielen – und fanden einen ganz neuen Sound. Okvsho nennen sich Christoph und Georg Kiss, die jetzt das Album „a place between us“ veröffentlicht haben, aus dem wir „Soulé“, eine dieser kapstädtisch-zürcherischen Zusammenarbeiten hören. Der französische Produzent David Kildjian, der unter anderem auch mit Tigran Hamasyan zusammen gearbeitet hat, veröffentlichte vor kurzem „The Otium Mixtape“, eine wilde Mischung aus allerhand Zusammenarbeiten mit Musikerinnen und Musikern aus der ganzen Welt. Wir hören ein Stück im Bwamu-Dialekt namens „Shah Du“, gesungen von Sako Wana aus Burkina Faso. „Negative Nancy“ heißt ein wunderbares neues Stück des holländischen Gitarristen Reinier Baas, unter anderem mit Joris Roelofs an der Bassklarinette, das er anscheinend einem Videospiel gewidmet hat, bei dem man alle Fragen nur mit „Nein“ beantworten kann. Aus der 5LP-Box „Airto & Flora – A Celebration: 60 Years – Sounds, Dreams & Other Stories“ des über 80-jährigen Ehepaares Airto und Flora Purim hören wir „Papo Furado (Jive Talking)“.
Den 100. Geburtstag des großen Saxofonisten Paul Desmond feiert das Quartett Pure Desmond mit seinem Album „100“, aus dem wir hier eine sehr schöne Version von Desmonds „Bossa Antigua“ hören. Der dominikanische Pianist Michel Camillo und der spanische Gitarrist Tomatito haben ein neues Album aufgenommen, das diese Art des Latin-Jazz-Duos mal wieder neu definiert. Passend, dass sie sich hier auch dem „Mambo Influenciado“ von Chucho Valdes widmen. Das 18-köpfige Quartett Brigade Futur III möchte das Erbe von Bertolt Brecht und Kurt Weil antreten und sich musikalisch „den verheerenden Auswirkungen des Raubtierkapitalismus auf unsere Welt widmen“, wie es in ihrem Pressetext heißt. Wir hören die Brigade mit „Hikikomori“, Japanisch für „fortgeschrittener sozialer Rückzug“. Zum Abschluss ein Stück unserer Titelkünstlerin Mira Melford, die sich im Interview zu ihrem Album „Hear The Light Singing“ vor allem über Threadgill, Tremblay und Trump mitteilt: „Insertion 4“. All das gibt es am Sonntag, 18. Februar, im Jazz thing Mixtape ab 12 Uhr Mittags eine Stunde lang auf ByteFM zu hören – mit Götz Bühler am Mikrofon.
Playlist #210
für das Jazz thing Mixtape vom Sonntag, 18.2.2024, 12 – 13 Uhr
Joel Ross Early Nublues (Blue Note/Universal)
Vijay Iyer Ghostrumental Compassion (ECM/Universal)
Nubya Garcia Fortify Fortify (Concord/Universal)
Okvsho Soulé A Place Between Us (Boyoom Connective)
Kiledjian Shaadü The Otium Mixtape (Underdog Records)
Reinier Baas Negative Nancy Negative Nancy (Dox Records)
Airto Moreira Papo Furado (Jive Talking) Celebration (BBE/The Orchard)
Pure Desmond Bossa Antigua 100 (Major Music)
Michel Camillo & Tomatito Mambo Influenciado Mambo Influenciado (Universal)
Brigade Futur III Hikikomori Hikikomori (Whyplayjazz/NRW)
Myra Melford Insertion Four Hear The Light Singing (Rogue Arts)
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