Irène Schweizer: Abschiedsabend
Am 4. November wird es in Zürich einen Abschiedsabend für die am 16. Juli dieses Jahres verstorbene Pianistin Irène Schweizer geben, die als große Klangerneuerin des europäischen Free Jazz und Ikone des Feminismus gilt. Geboren 1941 im beschaulichen Schaffhausen an den Wasserfällen des Rheins, brachte sie sich das Spielen am Klavier des elterlichen Gasthauses selbst bei und nahm bald an ersten Amateurwettbewerben teil. Mit 19 Jahren erhielt sie als Hauptpreis ein Päckchen Zigaretten und ein Herrenhemd – eine Frau als Gewinnerin war nicht vorgesehen. Schweizer selbst bezeichnete sich zeitlebens als Amateurmusikerin, weil sie ihren Lebensunterhalt als Sekretärin verdiente – bei Paiste, dem Schweizer Hersteller für Schlagzeugbecken. Abends spielte sie mit ihrem Trio und in verschiedenen Duos, oft mit Schlagzeugern wie Pierre Favre oder Han Bennink.
Ihr Leben lang setzte sich die offen lesbisch lebende Musikerin für LGBTQ-Rechte und die Gleichberechtigung von Frauen ein. Sie war Mitgründerin des Frauenkollektivs Feminist Improvising Group FIG, des Canaille-Festivals, des ersten Frauen-Festivals in der Schweiz, des Zürcher Taktlos Festivals und des Labels Intakt Records, auf dem Schweizers Aufnahmen seitdem erschienen sind. Zu ihrem 70. Geburtstag 2011 spielte sie als erste Free-Jazz-Musikerin in der ehrwürdigen Zürcher Tonhalle. In einem Interview mit der ZEIT erzählte sie damals, dass man ihr zuerst den Flügel nicht geben wollte, sie sei ja bekannt für ihr Ellenbogenspiel und das Bearbeiten der Innensaiten mit Objekten. Mittlerweile sei ihr Spiel jedoch ruhiger geworden, erzählt Schweizer, sie versuche, weniger Töne zu spielen. Improvisation bedeute ihr, sich immer wieder aus Erfahrungen zu befreien. Auch habe sie nicht mehr diesen Zorn in sich, wie damals, Ende der Sechzigerjahre, vor dem Hintergrund der beginnenden Frauenbewegung und der Demonstrationen gegen patriarchale Strukturen.
Schweizer gilt als bedeutende Mitgründerin einer eigenständigen europäischen Sprache des Free Jazz. Sie hinterlässt ein Werk von mehr als 75 Aufnahmen, darunter auch immer wieder Alben, die sie mit jüngeren Schweizer Musikern wie Jürg Wickihalder und Omri Ziegele eingespielt hat, die ebenfalls an diesem Abschiedsabend am 4. November für sie auftreten werden. Veranstaltet wird der Abend von dem Verein „Freund/-innen von Irène Schweizer“, darunter der Journalist, Autor und Musikproduzent Patrik Landolt, langjähriger Freund und Wegbegleiter der Musikerin, der ihr Werk in dem von ihr mitbegründeten Label Intakt Records betreute. An diesem Abend im Volkshaus Zürich sind unter anderem Pierre Favre, Maggie Nicols, Günter Baby Sommer, Sylvie Courvoisier, Lucas Niggli, Sarah Chaksad und Hamid Drake. Vorab wird am Nachmittag der Dokumentarfilm „Irène Schweizer“ der Regisseurin Gitta Gsell gezeigt.
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„Freund/-innen von Irène Schweizer“