The Bleep
Seit Monaten geistert der mehrfach preisgekrönte Streifen „What The Bleep Do We Know“ als Kultfilm durch die kleinen Kinos. Millionen von Kinobesuchern sind begeistert: „Eine Offenbarung! Ein neues Weltbild! Die moderne Physik, faszinierend erklärt!“ In atemberaubendem Tempo wirbelt der Film die Statements von mehr oder minder erfolgreichen Wissenschaftlern, Privatgelehrten und Sektenangehörigen durcheinander, Häppchen von Quantenphysik mischen sich wild mit Edeltropfen esoterischer Absonderungen, kleine Animationen und niedliche Spielszenen werden eingerührt, und am Ende sieht der atem- und orientierungslose Zuschauer die Welt in einem ganz neuen Licht. Mehr noch: Er ist überzeugt davon, im Kino-Durcheinander ganz nebenbei die moderne Physik begriffen zu haben. Wirklich, ein faszinierender Film.
Leider gibt es ein paar Spielverderber, die dieses Werk als „Scharlatanerie“, „Pseudo-Psychogeschwätz“, „Gehirnwäsche“ und „demagogische Collage“ bezeichnen. Einer der beteiligten Wissenschaftler behauptet sogar, seine Äußerungen seien aus dem Zusammenhang gerissen und die „These“ des Films sei „unverantwortlich falsch“. Ein humorloser Kerl.
Was das alles mit Musik zu tun hat? Es waren Jazzmusiker, die mir den Film empfohlen haben. Jazzmusiker, die nie ein Buch über Quantenphysik in der Hand hatten, aber nach diesem Film fest daran glauben, dass Musik die Kristallisation von Wassermolekülen beeinflusst, dass die Welt, wie wir sie kennen, nur in unseren Hirnsynapsen existiert und dass Quantenphysik das alles erklärt. Sie lesen auch keine Tageszeitung, aber verbreiten immer gern, was im Internet steht.
So sind Jazzmusiker. Und so ist Jazz. Wie staunte Charlie Parker, als er erfuhr, dass es verschiedene Tonarten gibt! Wie viele Jazzmusiker haben auf esoterischen Umwegen den Quintenzirkel entdeckt! Welche hirnlichen Verrenkungen leistete George Russell, um das westliche Tonsystem in sein lydisches Konzept zu zwingen! Sie holen sich Steinchen von überallher und basteln daraus ein kleines, buntes Mosaik – originell, naiv-raffiniert, verschroben, fehlerhaft und liebenswert. So sind Jazzmusiker. So ist Jazz.
Pit Huber