Mutterbutter und prägende Kindheitserinnerungen
Im Hier und Jetzt mit Pierre Favre
Erinnerungen sind oft eng mit sinnlichen Erfahrungen verbunden – ein bestimmter Duft oder ein Geschmack lässt zuweilen längst vergessen geglaubte Kindheitserlebnisse wieder aufsteigen. So geschehen während des Besuchs unseres Chefgourmets Dieter Ilg beim schweizerischen Schlagzeugmeister Pierre Favre.
Ein Strauß rosa Rosen. Ein offener Raum, Ess- wie Wohnzimmer und Küche in einem. Helligkeit und etwas Farbenspiel. Allerlei Teegeschirr fällt mir auf. Pierre Favre stammt aus dem Val de Travers, „dem europäischen Sibirien“, wie Pierre schmunzelnd bemerkt, „das behaupten alle, die von dort kommen“. Der Trommler von Juragraden unterrichtete zehn Jahre an der Musikhochschule Stuttgart, im schwäbischen Hauptstadtkessel. Was den Hauptbahnhof betrifft, stürzen die Zürcher nicht kopflos ins Verderben. In der Schweiz ergänzt und verbessert man den öffentlichen Personenverkehr vornehmlich mit Köpfchen, nicht mit Kröpfchen.
An diesem warmen Tag zischt der Mundraum nach einigen Schlucken reinen Wassers, das den ärgsten Durst bestens löscht. Ein bisschen später erst werden wir uns reinen Wein einschenken. Zuerst erzählt Pierre, was er sich als kleines Menü für heute ausgedacht hat: Jakobsmuscheln, Forellenfilet mit Kartoffeln, Salat und Vanilleeis mit heißen Himbeeren. O, là, là! Gerade Letzteres war der Renner meiner Jugendzeit, zuhause und in fremden Lokalen. An jedem Ort zu jeder Zeit.
Im Hier und Jetzt in Uster, einem kleinen Ort in der Nähe der schweizerischen Hauptstadt. „Möchtest du noch etwas trinken, vielleicht ein Glas Wein?“, höre ich mich gefragt werden und denke: „Hm, soll ich?“ Falsche Antwort, verloren und gewonnen zugleich. Zögern. „Ein kleines Glas Weißwein, kühl wie der Eisbach, wäre fein“, entfleucht es mir still und leise. Fotografin Palma lächelt: „Ich schließ mich an … “ Pierre öffnet die Kühlschranktür und schnappt nach einer Flasche: „Den mag ich gerne.“ Ein befreundeter promovierter Publizistikwissenschaftler verantwortet diesen, einen aus der Traubensorte Vermentino hergestellten Vino Toscana, Azienda Metati Rossi, Walter Hättenschwiler, aus I-Strettoia (LU). Im dortigen Weingut pflegt man extensive Bewirtschaftung, geht also mit Natur, Tier und Mensch sehr organisch um. Im besten Sinne des Wortes.
„Soll ich anfangen?“, tönt es aus Richtung Herd.