Andromeda Mega Express Orchestra

Der Zauberberg

Jazz und Klassik liegen an den entgegengesetzten Polen der musikalischen Topografie, und doch gab es immer wieder Versuche, beide Komponenten stimmig zu verbinden – angefangen in den 20er-Jahren bei Paul Whiteman über Stan Kenton und noch etwas später Gunter Schullers Third Stream bis zu Jacques Loussier. Leider gelingt das so selten. Uri Caines Mahler-Projekt oder Eric Schaefers Annäherung an Richard Wagner sind natürlich überaus gelungene Gegenbeispiele.

Andromeda Mega Express Orchestra (Foto: Christoph Söder)

Dazu gehört natürlich auch das Andromeda Mega Express Orchestra aus Berlin. Dessen Leiter Daniel Glatzel hört oft Vergleiche mit dem Third Stream, dabei hat er mit Gunter Schullers theoretischem Ansatz gar nicht so viel am Hut.

„Natürlich fällt sein Name, wenn die Traditionen von Klassik und Jazz zusammentreffen, aber ich finde seine Sachen musikalisch nicht besonders ansprechend. Charles Mingus hat die Formen des Jazz viel weiter aufgebrochen. Es ging bei ihm gar nicht so sehr um die klassische Besetzung, aber an den Übergängen seiner Themen und bei seinen dramaturgischen Bögen hat er wirklich sinfonisch gedacht. Ich weiß nicht, inwieweit mein Projekt von Mingus beeinflusst ist, aber es gibt definitiv Komponisten, die da organischer waren als Schuller.“

Auf „Vula“ (Alien Transistor), dem neuen Album des Andromeda Mega Express Orchestra, finden sich wieder herrlich verschachtelte Landkarten, die fast mit jedem Takt neue Perspektiven freilegen. Ursprünglich wollte Glatzel ganz kurze Stücke schreiben, doch es ging ihm mit seiner musikalischen Wunderwelt wie Thomas Mann mit seinem „Zauberberg“, der ja auch als kurze Novelle angelegt war.

„Eigentlich fing ich mit kleineren Bagatellen an, aber dann wollte immer mehr raus. Das war wie bei einer Ausgrabung. Man freut sich über einen winzigen Knochen, dann wird das immer größer, und am Ende hängt ein riesiger Dino dran. Das ist ja eine interessante Begegnung mit der Musik selbst. Man hat einen Plan, aber dann nimmt die Musik ihren Lauf. Beim Komponieren habe ich ganz schön geflucht. Das begann irgendwann, über meine Kräfte zu gehen. Aber es wollte in diese Richtung und musste eben so gemacht werden.“

Text
Wolf Kampmann
Foto
Christoph Söder

Veröffentlicht am unter 120, Feature, Heft

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