Michel Godard

Monteverdi - A Trace Of Grace

(Carpe Diem/Naxos)

Michel Godard - Monteverdi – A Trace Of GraceVielleicht kennt Michel Godard die „Affektenlehre“ gar nicht, wie sie in der Vokalmusik der Renaissance und des Barocks für Komponisten üblich war, um die Emotionen der Libretti durch in einer „Figurenlehre“ festgelegte Motive in Musik zu übertragen. Jedenfalls ist in den Liner Notes seiner Monteverdi-Hommage nichts darüber zu lesen. Wohl auch gut so – denn wahrscheinlich hätte es ihn in seinem Plan eingeschränkt, das Werk des italienischen Komponisten Claudio Monteverdi (1567–1643) aus der Perspektive eines zeitgenössischen Jazzmusikers neu zu deuten. Im Juni 2011 sind in der Abbaye Noirlac in Frankreichs Mitte mit der Sängerin Guillemette Laurens, dem Theorbenspieler Bruno Helstroffer und der Violinistin Fanny Paccoud drei Interpreten der Alten Musik auf drei Jazzmusiker getroffen: Godard auf dem Serpent (dem Bassinstrument der Zinken-Familie, das im Barock seine Blütezeit hatte und das Godard neben Tuba und Bass beherrscht), Steve Swallow am E-Bass sowie der sardische Sänger und Saxofonist Gavino Murgia. Und Godards Experiment glückt: Fünf Monteverdi-Stücken stehen Originalkompositionen von Godard und Swallow gegenüber, in denen der dunkel gefärbte Ton des Serpent-Horns und Godards weiche Phrasierung der Mittler zwischen den Welten sind, um eine Brücke zwischen der historischen, werkgetreuen Aufführungspraxis der Alten Musik und dem Improvisationsimpuls des Jazz zu schlagen. Und wenn Murgia auch noch mit seinem Untertongesang einsetzt, dann öffnet sich ein weiteres Fenster: hin zur archaischen Folklore seiner Heimatinsel Sardinien.

Text
Martin Laurentius
, Jazz thing 91

Veröffentlicht am unter Reviews

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