Grammy 2006

Pit HuberHabe ich’s nicht immer gesagt? Nominiert mehr Jazz-Künstler für Pop-Grammys! Endlich hatten meine endlosen E-Mail-Kampagnen Erfolg, die Verantwortlichen haben ihren Arsch bewegt. Für die beste instrumentale Pop-Performance waren diesmal nominiert: Jazz-Trompeter Chris Botti, Jazz-Keyboarder George Duke, Jazz-Keyboarder Herbie Hancock, JATP-Veteran Les Paul und der von hippen Kritikern und swingfähigen Gastmusikern zum „Jazzer honoris causa“ ernannte Daniel Lanois. Jazz auf ganzer Linie also.
 
Gewonnen hat den Grammy übrigens der 90-jährige Les Paul, was mal wieder beweist: Erfahrung zahlt sich aus. Und den Grammy für die beste instrumentale Rock-Performance hat er heimlich auch gleich mitgehen lassen. Beim Rock-Publikum in den Seniorenheimen ging daraufhin die Post ab.
 
Dann gibt es da die Kategorie „Best Traditional Pop Vocal Album“. Was das sein soll, „Traditional Pop“? Jazz-Standards natürlich. Tony Bennett, Johnny Mathis und Michael Bublé können sowieso nichts anderes. Und Carly Simon und Rod Stewart wollten halt auch nominiert werden: Fast im Parallelgang schwingen sie sich durch Porter, Berlin, Gershwin und Rodgers. Das hätten wir uns damals nicht träumen lassen, sagt Rock-Oma zu Rock-Opa im Seniorenheim, die mal total auf Rod Stewarts Reibeisen standen. Rod will noch nicht aufgeben und plant rechtzeitig zum nächsten Grammy schon „The Great American Songbook Volume V“. Bis dahin: Stimme schonen.
 
Was fiel mir sonst noch auf? Dies: Jazz wird vorwiegend von alten Männern gehört, daher hat man bei den vokalen Jazzalben nur hübsche Frauen nominiert. Und dies noch: Jazz-Keyboarder Billy Childs hat sich als seriöser Komponist durchgesetzt – sogar gegen John Williams, den beliebtesten Wahlrussen Amerikas. Jetzt muss man Hollywoods Tschaikostakofieff wohl mit Oscars trösten.
 
Pit Huber

Veröffentlicht am unter Blog thing

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2 Kommentare zu „Grammy 2006“

  1. Vermutlich durchläuft die USA einen ähnlichen demographischen Prozess wie Deutschland. Die Bevölkerung vergreist und die Alterspyramide ist auf den Kopf gestellt. Aber dort kann man sich wenigstens glücklich schätzen, dass man u.a. mit dem Jazz eine musikalisch inspirierende und geschichtlich richtungsweise Kunstform vorzuweisen hat. Man stelle sich nur vor, welche Lieder und Interpretieren hier ausgezeichnet würden, wenn Deutschland eine popmusikalische Großmacht wie die USA wäre und man einen vergleichbar renommierten Preis verleihen müsste: „Rose von Tirol“ etwa, Peter Alexander und Peter Kraus etc. Oder, schlimmer noch, weiter in der Zeit zurück: das Horst-Wessel-Lied oder Zarah Leander zum Beispiel. Der blanke Horror und das nackte Entsetzen, oder?

  2. Ja, und in der Gegenwart sieht es genauso schlimm aus…

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