Jazz und Ewigkeit

Pit HuberOft heißt es, Jazzkritiker seien eigentlich verhinderte Musiker. Genauer: Angeblich erwarten sie von ihrem Lieblings-Jazzer, dass er die großartigen Ideen in die Tat umsetzt, für die ihnen selbst das musikalische Talent fehlt. Und wenn er’s dann nicht tut, sind sie sauer und schreiben Verrisse. Also: So bin ich nicht. Ich verkünde hiermit feierlich: Ich bin KEIN verhinderter Musiker!

Okay, ich hatte als Kind mal Klavierstunden. (Die Blockflöte lassen wir jetzt weg.) Aber es stellte sich bald heraus, dass meine linke Hand einfach nicht gewillt war, etwas anderes zu tun als die rechte. Genetische Veranlagung vermutlich. Als Student habe ich mich auch mal an einem Saxofon versucht. Nach vier Wochen meinte ein befreundeter Saxofonist, ich würde falsch atmen, hätte nicht die richtigen Lippen für einen guten Ansatz, eine schlechte Körperhaltung, zudem das falsche Instrument und ein zu weiches Blatt und ich würde sowieso zu viel rauchen. Eigentlich wollte er sagen: Du bist eine Niete. Ich erinnere mich auch noch an die paar Furztöne, die ich mal einer Trompete entlockte. Und an das Kunststück, als mir bei der ersten Begegnung mit einer Gitarre gleich zwei Saiten rissen. Kurzum: Mir fehlt sogar zum VERHINDERTEN Musiker das Talent.

Natürlich will man als Jazzfan aber doch irgendwie an der Musikerwelt teilhaben. Am liebsten wäre ich natürlich ein großzügiger Jazz-Mäzen. Denn wer es sich leisten kann, Jazzmusiker zu unterstützen, hat sicherlich auch das Geld für eine jährliche Karibik-Kreuzfahrt. Aber leider habe ich es bislang nur zum Gummibärchen-Sponsor meines kleinen Neffen geschafft. Immerhin versuchte ich mich mal als Konzertveranstalter. Beim ersten Konzert kamen exakt 14 Besucher. Beim zweiten kamen zwar dreimal so viele, aber das lag daran, dass der Gitarrist seine ganze Verwandtschaft vor Ort hatte. Die liefen natürlich alle auf Gästeliste. Einige Tage lang war ich auch als Roadie unterwegs. Bis mir ein amerikanischer Pianist erklärte, ich sei eine lebensgefährliche Bedrohung für den Bestand der Jazzszene. Also wurde ich dann doch Jazzkritiker.

Wäre mein Freund Rainer auch gern, aber bei ihm reichte es nur zum VERHINDERTEN Jazzkritiker. Er weiß alles über Jazz, hat die größte mir bekannte LP- und CD-Sammlung zwischen Frankfurt und Köln und erkennt ein Zitat an drei Tönen. Nur mit dem Schreiben hapert es halt. Nein, er ist beileibe kein Analphabet. Es ist nur so: Wenn er über Musik schreibt, erfährt man alles über die Chorusform der Stücke, die Vita der Komponisten, das Wetter am Tag der Aufnahme und die Ehefrau des Produzenten. Nur wie die Musik klingt, weiß man dann immer noch nicht. Trotzdem arbeitet Rainer jetzt an einem Jazzbuch, genauer gesagt: einem Lexikon. Der Arbeitstitel: „Jazz und Ewigkeit“. Darin soll man nachschlagen können, wer eigentlich die Menschen waren, die in Jazztiteln verewigt sind. Jeder kennt selbstverständlich „Nica’s Dream“, „Billie’s Bounce“ oder „Woody ‘n You“. Aber wer weiß schon, dass Eric Dolphys „G.W.“ eine Widmung an den Big-Band-Leiter Gerald Wilson ist, dass Miles Davis mit „Pfrancing“ seine Freundin Frances grüßte und dass John Coltrane tatsächlich eine Cousine namens Mary hatte?

Seitdem Rainer an seinem Buch arbeitet, habe ich auch ein neues Ziel in meinem Leben. Ich sage nur: An der Musikwelt teilhaben, in Jazztiteln verewigt werden. Liebe Musiker, hier kommen schon mal ein paar Titelvorschläge für eure nächsten Kompositionen: „Pit’s Dream“, „Huber’s Bounce“, „Pit And You“, „P.H.“, „Hubering“, „My Friend Pit“. Oder wie wäre es mit „Who Is This Guy Named Pit“, „Huber On My Mind“, „Do You Know What It Means To Be Pit Huber“. Wenn ihr noch mehr großartige Ideen von mir braucht, gebt einfach Bescheid. Dafür bin ich ja schließlich Jazzkritiker.

Pit Huber

Veröffentlicht am unter Blog thing

Deutscher Jazzpreis 2025

2 Kommentare zu „Jazz und Ewigkeit“

  1. Das finde ich auch quatsch. Leute die so etwas behaupten kennen keine andere Musik als ihre.
    Also mach weiter so!
    Beste Grüße Michi

  2. Die Punks haben dich schon erhört: Die Band The Idiots hat eine Nummer „Pit“ betitelt und von Henry Fiat’s Open Sore gibt’s auf dem Album „Idiota Hyper Activa“ eine namens „Into the Pit“ auf. Sehr schmeichelhaft ist das für dich aber nicht, immer in einem solch „idiotischen“ Zusammenhang genannt zu werden. ;) Vielleicht tröstet dich ja, daß Hamiet Bluiett ein Stück namens „Pit Stop“ im Repertoire hat.

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