Machismo
Aus aktuellem Anlass lese ich gerade in einer Soziologie des Fußballs. Darin fand ich folgenden Satz über den Fußballspieler: „Als Junggeselle neigt er dazu, in Mädchen bloße Sexobjekte zu sehen.“ Und über die Spielerfrau: „Sie bewundert ihren Mann ebenso aufrichtig, wie sie ihn liebt. Sie ist das Mädchen des Kriegers, die Frau des Jägers.“ Diese Darstellung grenzt natürlich an üble Nachrede: Der Fußballspieler ist weder Sexbestie noch Superheld. Wie jeder moderne Mann beweist er sich täglich als ein aufgeschlossenes, liebenswertes, anpassungsfähiges, kooperatives und uneigennütziges Wesen. An seiner Lebensgefährtin schätzt er vor allem, dass sie ihm eine gleichberechtigte Partnerin ist, die Telefonanrufe entgegennimmt, ihm eine gleichberechtigte Partnerin ist, das Pils immer eiskalt serviert, ihm eine gleichberechtigte Partnerin ist, im neuen Sportwagen dekorativ aussieht und nie danach fragt, was er gekostet hat.
Auch Jazzmusiker haben schon lange ein gut ausbalanciertes Verhältnis zu Frauen und anderen Trophäen. Das zeigt der immer wieder lohnende Blick ins Buch „The Cover Art of Blue Note Records“. Die Männer sehen sich nämlich durchaus nicht immer im Mittelpunkt: Lou Donaldsons anerkennendes „Good Gracious!“ gilt vielmehr der runden Rückseite einer Dame auf Pfennigabsätzen. Stanley Turrentines „Easy Walker“ trägt dagegen ein Paillettenkleid mit großem Rückenausschnitt, Donald Byrds „Mustang“ einen klein gemusterten Mini, Freddie Roachs „Brown Sugar“ blickt bedeutungsschwer aus tiefschwarzen Augen. Mehr geschätzt als die emanzipierte Partnerin wird vom Jazzmusiker nur das Automobil – siehe die Plattencovers zu Donald Byrds „Off To The Races“, Jimmy Smiths „I‘m Movin‘ On“ oder Stanley Turrentines „Joyride“.
Im Gegensatz zu diesen Dokumenten fortschrittlicher Partnerschaft gibt es aus jüngster Zeit einen alarmierenden Rückfall in barbarisches Patriarchat zu vermelden. Die Sängerinnen-Compilation „The Women I Love – Angel Eyes“ (Dreyfus 2005) ziert ein gesichtsloses, kahlköpfiges Zombiewesen, halb Alien, halb Schlossgespenst. Dieses Bild – gemalt, ausgewählt und retuschiert von perversen Männern – ist frauenfeindlich, repressiv und skandalös. Kein partnerschaftlich denkender moderner Fußballspieler würde sich von einem solchen Wesen das Pils servieren lassen!