Reorganisation im Backstagebereich
Andreas M. stand nach dem berauschenden Konzert des Horst Schadelmacher Sextetts in einer Ecke des Presseraumes und hob warnend den Zeigefinger. Zwar ist sein Klient Horst seit sieben Gigs die unangefochtene Nummer eins im jungen deutschen Jazz. Doch „gerade wenn es läuft, neigt man dazu, Fehler zu übersehen“, verkündete der Manager. Er sagte zwar, dass „die Band jetzt im Großen und Ganzen so spielt, wie wir uns das vorstellen“. Doch Müller ahnt wohl, dass eine bemerkenswerte Phase der jüngeren Horst-Schadelmacher-Sextett-Geschichte ihrem Ende entgegenstrebt. Die Musiker werden wieder mit Journalisten sprechen – und nicht ganz einfache Persönlichkeiten wie Franziska D. oder Gerd H. drängen zurück in die Band. Nun gilt es, die elementaren Komponenten des Aufschwungs zu bewahren.
Da wäre zunächst der Schlagzeugertausch. Manuel E. ist seit dem dritten Konzert die Nummer eins, und langsam sind auch die Skeptiker überzeugt. Zwar ist immer noch rätselhaft, welches Ereignis Horst in Wahrheit zu dem Entschluss führte, Dieter L. Stunden vor dem Konzert in Bamberg seinen Stammplatz zu nehmen, doch mittlerweile sind die Vorzüge E.’s unübersehbar. „Was ihn auszeichnet, das ist die Beherrschung des Raumes neben der Hi-Hat“, sagte der Bandleader. E.’s Beckenpräsenz ist beeindruckend. Der modernere Schlagzeuger löst den renommierteren ab, unter Ornette C. habe man „erlebt, dass zwei starke Schlagzeuger sich gegenseitig zu Höchstleistungen motivieren können“, sagte M.
Von großer Bedeutung war zudem das Schweigegelübde, der Bandgeist war plötzlich intakt wie selten. Ohne die Stimmen der Spieler ließen sich im A-Flat oder im B-Trane keine Geschichten mehr über die zerstrittene Combo erzählen. Diese Geschichten waren noch der Renner des ersten Konzerts gewesen. Natürlich störte das die Arbeit, ein Pianist wie Kurt B. blüht auf, seit die Combo kollektiv schweigt. Allerdings sprachen am Sonntag Christian C. und Fabian O. wieder mit dem Fernsehen, und „nächste Woche werden es bestimmt noch ein paar mehr“, kündigte Horst an. Was die lauernde Journaille dann ausgräbt, wird mitentscheiden über die Stimmung während der Weihnachtspause.
Elementar auf der Bühne war der Bedeutungsverlust des Wagnerianers am Set, Dieter L. Der langbeinige Kreuzberger mit der kecken Kurzhaarfrisur liebt es, das Schlagzeug vor sich zu haben – bekommt er eine Phrase zugespielt, kommuniziert er selten direkt. Er besteigt zunächst den Feldherrenhügel und sucht den genialen Einfall. Das entschleunigt den Rhythmus der Band. Dabei ist es das erklärte Ziel des HSS, schneller zu spielen und zum Abschluss zu kommen. Die Veranstalter lieben das: die Abstraktion zu verkürzen und somit früher zum geselligen Bier (= Umsatz) übergehen zu können, ohne leidige Inhaltsdiskussionen.
Aber es zeichnet sich ab: Die Lösung sind keine schnelleren Schlagzeuger, die Lösung sind schnellere Gedanken. „Momentan sieht man, dass wir ein sehr hohes Tempo gehen können“, sagte Horst, er hat Manuel E.’s Einfluss auf das Tempo erkannt. Zuletzt wurde der Künstler auf den Gigs in Bochum, in Nürnberg und Dortmund eingesetzt. Die Tendenz ist klar. Nur Müller sagt: „Ich finde es unfair, solche Zusammenhänge herzustellen.“
Nicht einmal Duke Ellingtons Standards fehlen, denn mit Christian P. hat das HSS nun einen Bassisten, der „jeden ruhenden Ton perfekt vor die Gitarre spielt“, wie Horst sagt. P. war mehr als ein Jahr verletzt, wurde viermal am Handgelenk operiert und spielte nicht nur in Dortmund fantastisch. Die Position des Bassisten sei zuletzt mit Lotte K., Dario M. oder Markus K. „mit Notlösungen besetzt gewesen“, sagte der Bandleader. Die Band verändert gerade ihr Gesicht.
Welche dieser Entwicklungen Horst S. initiativ betrieben hat und zu welchen er gezwungen wurde, ist schwer durchschaubar. Zwar ist Horsts Position gestärkt, doch die Warnungen Müllers gingen auch an seine Adresse. Komplizierter als die vorigen Wochen könnten die nächsten Monate werden, wenn die neuen Errungenschaften verteidigt werden müssen.
Ja gut, ich sach ma: Hauptsache, die Null steht.
PS:
Im Ernst: Gefällt mir sehr. „Ruhenden Ton vor die Gitarren spielen“ … ja, so hätte man’s gern.