Zwei Altmeister im Jazzkeller
1: Du, man man kann doch den Wechsel eines Jazzmusikers ins Popidiom aus den verschiedensten Perspektiven bespiegeln.
2: Stimmt, man kann das Ganze für einen völlig uninteressanten Vorgang halten, weil man sich für Popmusik nicht interessiert oder zumindest nicht für die Popmusik, die in den letzten Jahren in Mode war.
1: Oder man kann als Jazzideologe die fortschreitende Kommerzialisierung des Kulturgeschehens beklagen oder als neutraler Betrachter des Jazz-Geschehens bezweifeln, ob sich mit der Jazzstruktur, wie wir sie gegenwärtig besitzen, überhaupt ein relevantes Jazzleben machen lässt.
2: Ja, das geht alles. Was ich aber am liebsten machen würde, wäre – als Mitglied des jazzigen Frühkapitalismus, als man, um es mal in der Sprache von Charles Mingus zu sagen, noch jeden Standard verkauft und jeden Lick hingehalten hat, wenn es darum ging, die eigene verkommene Sideman-Haltung mit ein bisschen pseudomarxistischem Täterä und Pseudo-Reharmonisations-Glamour aufzumotzen –, was ich am liebsten täte, wäre (ohne das leiseste Quantum an Selbstreflexion oder gar -kritik), unter dem wagnerianischen Titel „Wie wir den Jazz zerstört haben“ als letzter wahrer Jazz-Underground-Marxist der Republik zu posieren.
1: Und ich würde den jungen Leuten da draußen noch mal gönnerhaft raten, nicht zu versuchen, „das, was der Jazz eigentlich wollte, im neuen Kleide fortzusetzen“, sondern mutig und authentisch zu sein und zu „riskieren, was wir Jazz-Erfinder damals riskiert haben: etwas Neues, Eigenes, Richtiges“.
2: Leider müssen wir aber noch mal genau darüber nachdenken, aus welcher Position im Kulturbetrieb wir da eigentlich wem welche Ratschläge erteilen möchten.
1: Wie bitte?
2: Oder, wenn das nicht möglich ist, müssen wir in dieser Sache bis auf weiteres der Klügere sein und zugeben, dass wir auch keine Ahnung haben, was wir tun würden, wären wir nochmal hungrig und jung.
Hi Christopher,
Oh mann oh mann! Da komme ich intellektuell nicht mit. Aber schreiben tust du super. Ich hätte dir da eine oder zwei moderne Platten zu empfehlen, wenn du magst!
Beste Grüße,
Sandra
manchmal habe ich das gefühl, jazzer waren hungrig, aber nie jung…