Bogotá entdeckt den Afrobeat

Der Sound des kolumbianischen Undergrounds

Der Rhythmus der Alten

Die beiden Bands stehen nicht nur in der Comuna 13 hoch im Kurs. Sie sind Synonym für ein anderes Kolumbien, ein Kolumbien, das sich zu den eigenen Wurzeln bekennt und nicht gen Norden schielt. Zwar dominiert der Sound aus Miami, New York und Co. auch heute noch den Musikmarkt des lateinamerikanischen Landes, aber in der Zona Rosa, dem Partyviertel von Bogotá und Medellín, sind immer öfter neue Töne zu hören. Kolumbien ist im Wandel, und seitdem die ersten Bands im Ausland Erfolg haben, werden sie langsam auch im Inland respektiert. So auch Choc Quib Town, Kolumbiens derzeit wohl populärste Rap-Band. Die erhielten im vergangenen November einen Latin Grammy und können sich seitdem kaum retten vor dem medialen Interesse. „Kurz nach der Verleihung kamen sie hier in der Comuna 13 vorbei, um uns und unsere Arbeit zu unterstützen“, erklärt Nene mit stolzer Stimme.

Solche Besuche sind Gold wert für das Projekt, denn sie zeigen den Kids in den Stadtvierteln auf, dass es auch anders geht. Dabei sind die drei MCs aus Quibdó, der Provinzhauptstadt des Chocó, gleich Botschafter in mehrfacher Hinsicht. Als Musiker stützen sie sich auf die Rhythmen der Väter und Großväter, lassen die Marimba in ihren Stücken Wiederauferstehung feiern und prägen einen Rap, der ein Bekenntnis zur eigenen Herkunft ist. Der Titelsong ihres ersten Albums, „Sómos Pacifico“, ist längst eine Hymne der schwarzen Minderheit. Einer kaum beachteten Minderheit, obwohl sie mindestens 20, eher 30 Prozent der Bevölkerung ausmacht.

Oro - Kolumbianisches GoldTostao, Slow und Goyo, die drei MCs, die Choc Quib Town gründeten, sind ganz bewusst angetreten, um dem Reggaeton Paroli zu bieten und der Musik der Großmütter zu ihrem Recht zu verhelfen. „Bei uns herrscht ein Reichtum an Rhythmen, die weder in Bogotá noch international bekannt sind“, erklärt MC Tostao. Das soll sich ändern, und das hat sich schon geändert, denn der mit einem Latin Grammy ausgezeichnete Hit „De Dónde Vengo Yo“ kommt im Bambazú-Rhythmus daher. Auch andere Rhythmen wie Currulao, Aguabajo oder El Bunde haben die drei MCs aus Quibdó schon in ihre Arbeit einfließen lassen und sich dabei auch politisch recht klar geäußert. So kritisieren sie in „Oro“ die Vertreibung der Zivilbevölkerung in vielen Landesteilen, um Edelmetalle und andere Schätze aus dem Boden zu holen. Dazu passt, dass sich MC Tostao auch für die politische Opposition starkgemacht hat.

Text
Henkel
Foto
Knut Henkel

Veröffentlicht am unter 89, Feature, Heft

Deutscher Jazzpreis 2025