Christoph Haberer

Audio-Visionen

Christoph Haberer ist ein Pionier der elektroakustischen Percussionmusik. Diesem Ruf wird der Schlagzeuger mit „Trommelfarben“ (Hofa/trommelfarben.de) erneut gerecht: Seinen analog-digitalen Crossover erweitert er ins Visuelle und veröffentlicht 17 Clips auch als Video-Art.

Christoph Haberer

In der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre lernten sich der Pianist, Komponist für elektronische Musik und Produzent Ingo Werner und der Schlagzeuger Christoph Haberer kennen. Werner, der damals schon mit Multi-Track-Recording gearbeitet hatte, inspirierte Haberer, sich mit den Möglichkeiten elektronischer Klangerzeugung zu beschäftigen – mit analogen und frühen digitalen Sequenzern, Musikcomputern, Synthesizern und Drumcomputern – und im Mehrspurverfahren aufzunehmen. „Ich sah mich selbst ja als Schlagzeuger, der richtig spielen wollte“, erinnert sich der 1951 in Donaueschingen geborene Haberer an die Zeit vor gut 40 Jahren. „Ich habe aber schon damals erkannt, dass ein modifizierter Drumcomputer mich nicht als Schlagzeuger ersetzen sollte, sondern vor allem mein Ausdrucksspektrum erweitern konnte, weil der eine eigene Ästhetik hat, die hervorragend mit meiner Ästhetik harmoniert.“

1980 erschien mit „Drümmele Maa“ die erste Schlagzeugsoloplatte, auf der Haberer im Mehrspurverfahren mit einem weltumspannenden Crossover aus akustischen und elektronischen Klängen, aus analogen Trommeln und Percussioninstrumenten sowie frühen digitalen Klangerzeugern zu hören war. „Drümmele Maa“ (Alemannisch für „Trommelmann“) wurde dann so etwas wie ein Synonym für die vielfältigen Fusionierungsexperimente des in Dortmund lebenden Schlagzeugers. Bald war es für Haberer selbstverständlich, neben dem regulären Drumset auch digitale Pads zu spielen, die den Klangraum des Schlagzeugs verbreiterten.

Seitdem war Werner regelmäßig mit im Studio, wenn Haberer neue Alben aufnahm. In den vergangenen Jahren hat er dann mit Video-Art experimentiert und unzählige Visuals produziert. Werner war es auch wieder, der Haberer angeregt hat, sich mit dem Visuellen in der Musik auseinanderzusetzen. „Bei einem Treffen 2019 in Worms ist uns die Idee für ein gemeinschaftliches Projekt gekommen, meine rhythmische Musik mit Ingos Bildern zu kombinieren und Klangfarben mit Farbstimmungen und Lasern zu verbinden. Ingo schlug mir vor, ein Percussionsoloprogramm zu realisieren, für das ich mich selbst video- und audiomäßig aufnehme.“

Bis „Trommelfarben“ auf CD mit zehn Tracks und auf Blu-Ray und DVD mit 17 Clips erscheinen konnte, hat Haberer einen langen Weg des Ausprobierens und Versuchens hinter sich bringen müssen. Noch vor der Coronazeit hat er seinen Proberaum in ein Filmstudio verwandelt und die ersten Clips produziert. Er hat sich zwei Profikameras zugelegt, mit denen er die Videos aufgenommen hat. Nicht sichtbar im Bild hat ein Monitor neben dem Schlagzeug gestanden, auf dem er sich während des Spielens kontrollieren konnte. „Es war für mich eine große Herausforderung, Audio- und Video-Recording mit allen dazu nötigen Einstellungen selbst zu bewerkstelligen – und dann noch einfallsreich mit meinen Sequenzen zu spielen und zu improvisieren! Ich habe auf kleinste Details im Bild und in der Musik achten müssen. Deshalb spiele und klinge ich auch anders als bisher.“

Gespielt hat Haberer sein analog-digitales Drumset, zudem verschiedene Snaredrums, Becken, Gongs, Klang­stäbe oder Toms, die er kreisrund um sich aufgestellt hat, und unzählige Percussioninstrumente aus aller Welt wie die arabische Bechertrommel Darabukka. Hinzu kommen Gebrauchsgegenstände wie Feuerschalen oder Blechbüchsen. All das kombiniert er mit digitalen Sounds und vorprogrammierten Sequenzen, die er über die Pads triggert. Entstanden ist eine Percussionmusik, die mit ihren asymmetrischen und polyrhythmischen Patterns, mit tieffrequenten Basssounds und melodischen Farben gleichermaßen komplex wie eingängig klingt.

Die Kommunikation verlief über den Austausch von Video- und Audiodatenträgern, um die Aufnahmen aus Haberers „Studiobühne“ und die Visuals aus Werners Videostudio plus der Nachbearbeitung und dem Schnitt in Videokunst zu verwandeln – durch Splitscreens und besondere Schnitte, durch Farbeffekte und Bildverfremdungen. So ist Haberer auch auf den Titel dieser audiovisuellen Produktion gekommen: „Ingo hat mit Farben und Bildern gearbeitet, während ich getrommelt habe: ‚Trommelfarben‘ also. Oftmals hatten wir den Eindruck, dass Bild und Musik wie selbstverständlich miteinander interagieren würden. Aber tatsächlich ist das alles am Schneidetisch entstanden.“

Text
Martin Laurentius
Foto
Christoph Haberer

Veröffentlicht am unter 152, Feature, Heft

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