Idris Ackamoor & The Pyramids

Die heilende Kraft der Musik

Die Musik von The Pyramids wurde in Ohio geboren, in Afrika genährt, um schließlich in der San Francisco Bay Area zu reifen. „Jazz ist meine Religion“, sagte der Poet, Maler und Trompeter Ted Jones. Nach diesem Motto kreieren der Saxofonist Idris Ackamoor & The Pyramids ihre musikalischen Rituale, vollführen auf „Shaman“ (Strut/Indigo) mit einer neuen Besetzung pure spirituelle Kommunikation. Olaf Maikopf sprach mit dem sehr selbstbewussten und ungemein freundlichen Idris Ackamoor.

Idris Ackamoor & The Pyramids  (Foto: Sophie Valentin)

Seitdem die Band vor zehn Jahren, nach vielen Jahren der Pause, mit einer Europatournee neu begann, haben The Pyramids einige personelle Veränderungen durchlaufen. Mitglieder bekamen gesundheitliche Probleme, und es entwickelten sich musikalische wie auch philosophische Unterschiede. Alles in allem kam man dann auf den Nenner, dass der Wandel konstant und unvermeidlich sei, um die künstlerische Vision von The Pyramids fortzusetzen. Diese war 1972 geboren worden und kulminierte in drei heute sehr gesuchten Alben. Seit der Reformierung der Band hört man auf allen neueren Aufnahmen, darunter „Otherworldly“ und „An Angel Fell“, unterschiedliche Besetzungen.

„Obwohl es nicht beabsichtigt war, glaube ich, dass dies unsere Musik kreativer, origineller und lebendiger macht und einen permanenten Aufbruch in Stil und künstlerischer Richtung forciert“, meint Idris Ackamoor.

„Shaman!“ zeigt nun ebenfalls wieder eine andere Besetzung, mit Idris und dem zweiten Urmitglied der Pyramids, Dr. Margaux Simmons, an der Flöte, der langjährigen Geigerin Sandra Poindexter und als Neuzugänge der aus Panama kommende Bassist Ruben Ramos Medina, an den Drums Jack Yglesias von The Heliocentrics und aus Italien Gioele Pagliaccia sowie Gitarrist Bobby Cobb.

Zum zweiten Mal in der Geschichte von The Pyramids wird also eine Gitarre in den Klangkosmos integriert, fügt ihm frische Nuancen, aber auch Altvertrautes zu, wie Ackamoor betont: „Die Ursprünge der Gitarre lassen sich ja bis in eine Vielzahl alter Kulturen und Länder zurückverfolgen. Als ich als junger Musikstudent fast ein Jahr in Afrika verbrachte, hörte ich dort viele Vorläufer der Gitarre, ebenso ihre Verwendung in Fela Kutis Afrobeat und der kongolesischen Tanzmusik. Mit den afrikanischen Wurzeln unserer Band war es dann ganz natürlich, die zeitgenössische E-Gitarre in meine Kompositionen und den Sound der Pyramids einzufügen. Auf ‚Shaman!‘ spielt Bobby die Gitarre sehr gefühlvoll und erinnert mich an die Klangfarben von Wes Montgomery“, schwärmt der Saxofonist.

Standen früher häufig gesellschaftspolitische Themen im Fokus von Ackamoors Pyramids, so beschäftigt er sich jetzt mehr mit der Seele und dem Leben, trauert in „When Will I See You Again?“ über den Verlust von geliebten Menschen: ein Thema, das inmitten der COVID-19-Krise und der weltweiten Black-Lives-Matter-Proteste dann doch wieder eine soziale Relevanz hat. Der Track ist ein prophetischer Aufruf mit einer Botschaft, die sich gegen Waffengewalt, die Coronaviruspandemie und Rassenungerechtigkeit wendet, um den sozialen Aktivismus, das gesprochene Wort zu stärken und an die bleibende Poetry von Gil Scott-Heron und The Last Poets zu erinnern.

„Es ist ein Klagelied für alle gefallenen Lieben und ihre unzerstörbaren Seelen. Mir geht es hier um Vergebung. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte mich in einen magischen Schamanen verwandeln. Dann könnte ich dreimal klatschen, in die Luft spucken, und plötzlich wäre eine neue Welt da: Sie wäre gerettet, und wir könnten auf jungfräulicher Erde wandeln.“

Einen Neuanfang realisierten The Pyramids bereits nach ihrem Afrikaaufenthalt in den Siebzigern: Damals begannen sie, den Jazz der Studienjahre, zu dem sie von Coltrane, Sun Ra und ihrem Mentor Cecil Taylor inspiriert wurden, mit afrikanischer Musik zu verschmelzen. Dabei war es nie ihre Intention, von anderen beeinflusst zu sein. Vielmehr wollten sie Musik aus den Tiefen ihrer Seelen ans Licht befördern, wollten damals und wollen auch heute im Kollektiv einen wahrhaft einzigartigen, sehr strukturierten, manchmal aber auch komplett freien und spontanen Sound archivieren. Es gibt Humor, Pathos, Ironie und Drama, bisweilen in einem Satz, einer Komposition.

„Meine Vorfahren und der Schöpfer verliehen mir die Kraft, Musik zu nutzen, um zu heilen, positiv zu wirken. Darum dreht sich mein gegenwärtiges Bewusstsein um den Geist des Atems, also darum, Harmonie und Einheit beständig einzuatmen, mich meinem musikalischen Schicksal hinzugeben“, philosophiert abschließend der auch als Mentalcoach aktive Idris Ackamoor.

Text
Olaf Maikopf
Foto
Sophie Valentin

Veröffentlicht am unter 135, Feature, Heft

Deutscher Jazzpreis 2025