Karl Denson

Liebe und Politik

Karl Denson freut sich über seine neue Band. Dabei ist Tiny Universe gar nicht so neu. Drei Alben erschienen seit 2002 auf ebenso vielen Labels, doch mit dem jetzt vorliegenden vierten Release „Gnomes & Badgers“ (Seven Spheres Records/Import) scheint der Sänger, Saxofonist, Flötist und Komponist aus San Diego angekommen zu sein. Nach drei bemerkenswerten Modern-Jazz-Alben auf Minor Music in den 1990er-Jahren und dem HipHop-meets-Turntablism-Intermezzo auf Blue Note zu Beginn des neuen Millenniums bringt Karl Denson seinen persönlichen Funk, Blues und Soul nun auf den Punkt. Helmut Heuer sprach mit dem Tour-Saxofonisten der Rolling Stones über Inspirationen und Cartoons.

Karl Denson (Foto: Robbie Jeffers)

Schon das Intro von „Gnomes & Badgers“ lässt den Funk-Experten aufmerken. Das hört sich ja an wie die ersten Takte von „Evil Vibrations“ der Mighty Ryeders? Im weiteren Verlauf scheinen auch Tower of Power oder die Neville Brothers nicht weit zu sein:

„In der Tat, während wir die Platte aufnahmen, hatte ich mir eine Playlist mit Künstlern wie Cymande, Labelle, Rufus und Stevie Wonder zusammengestellt. Das war eine große Inspiration für mich, insbesondere ‚Fulfillingness‘ First Finale‘ und ‚Hotter Than July‘. ‚Gossip‘ von Cyril Neville haben wir schon immer live gespielt, also war es einfach im Studio umzusetzen.“

Karl Denson ist entspannt, denn Tiny Universe mit Gitarrist DJ Williams, Lap-Steel-Gitarrist Seth Freeman, Trompeter Chris Littlefield, Keyboarder David Veith, Bassist Chris Stillwell und Schlagzeuger Zak Najor haben sich gefunden, auch wenn der Weg lang war.

„Dieses Album war wirklich eine Aufgabe. Es hat fast drei Jahre gedauert, bis es fertig war. Aus der ersten Session sind nur zwei Songs übrig geblieben, aber acht oder neun Songs stammen aus der allerletzten Session. Erst dann kam alles wirklich zusammen und ergab Sinn. Ich freue mich also schon jetzt auf das nächste Album, denn es wird viel einfacher sein und vor allem schneller gehen.“

Ähnlich unkonventionell geht Karl Denson ans Komponieren. „Falling Down“ mit seinen an Chicago erinnernden Bläsersätzen ist ein echtes Highlight:

„Nun, das Lied habe ich ursprünglich geträumt. Die Worte ‚Wait a minute, wait a minute, wait a minute‘ hat Rahsaan Roland Kirk in diesem Traum zu mir gesprochen. Der Aufnahmeprozess war dann weniger mystisch. Zuerst spielten wir die Rhythm Section ein, aber die vielen weiteren Spuren haben richtig Zeit gekostet. Ich hatte zunächst nur eine grobe Vorstellung davon, wie es klingen sollte. Als ich letztes Jahr mit den Rolling Stones in Europa war, habe ich lange Spaziergänge unternommen, mir die Demos angehört und weiter darüber nachgedacht. Und ‚Falling Down‘ ist am Ende mein Lieblingslied auf dem Album geworden.“

Was hat es aber mit dem so überhaupt nicht auf Funk und Soul verweisenden Artwork auf sich?

„In meinen Songs geht es mir hauptsächlich um das Thema Kommunikation“, erzählt Denson, „in ‚Time To Pray‘ oder ‚Can We Trade‘, sogar in ‚Falling Down‘. Meine ursprüngliche Intention war es, eine Bluesplatte aufzunehmen. Denn im Blues geht es um Interaktion. Es geht um Liebe, aber auch um Politik. Dann hatten wir die Idee mit den ‚Gnomes & Badgers‘. Sie stehen für unterschiedliche Typen von Menschen, die versuchen, miteinander zu kommunizieren und Dinge im Gespräch zivilisiert zu lösen. Sie ziehen sich nicht in ihre jeweiligen Ecken zurück. Eigentlich wollte ich auf dem Cover ein Bild vom großen Meeting im Rathaus ihres Waldes haben, bei dem sich die Zwerge und Dachse zur Konferenz treffen. Aber – na ja – das passte nicht richtig auf so ein kleines Cover“, lacht Denson. „Allerdings arbeite ich an einem ganzen Cartoon mit diesen Figuren, warte mal ab!“

Nicht zuletzt sind es die illustren Gäste, die „Gnomes & Badgers“ bis zum Ende interessant bleiben lassen. Der Midtempo-Soul-Groove von „Just Remember“ ist ein unerwartetes Finale, gesungen von Rebecca Jade:

„Sie ist eine wunderbare lokale Sängerin, ich glaube, sie ist gerade viel mit Sheila E unterwegs“, berichtet Denson. Dazu kommen Stones-Keyboarder-Kollege und Allman-Brothers-Legende Chuck Leavell, die Gitarristen Lukas Nelson und Anders Osborne, der aus Austin stammende

Adrian Quesada und natürlich Ivan Neville:

„Ivan, Anders und ich sind große Football-Fans. Auch wenn die beiden in New Orleans leben, sind wir doch ständig in Kontakt und tauschen uns aus. Ivan ist sowieso oft zu Gast bei meinen Konzerten. Anders unterstützt mich oft beim Komponieren. Er hat es einfach drauf.“

Das klingt nach einem vollen Terminkalender – und wenn dann auch noch Mick Jagger anruft?

„Ja, im letzten Sommer war ich viel mit den Stones unterwegs. Ich bin heutzutage vielleicht 100 bis 150 Tage im Jahr zu Hause, es wird also etwas besser als früher. Mittlerweile liebe ich wirklich mein eigenes Bett. Wenn ich daheim bin, sitze ich auf dem Sofa, gehe an den Strand und koche. Ich mache mir gesundes Essen: Gestern Abend hatte ich Schwertfisch mit braunem Reis, Blattkohl und Bohnen.“

Text
Helmut Heuer
Foto
Robbie Jeffers

Veröffentlicht am unter 128, Feature, Heft

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