Keb' Mo'

Hot Pink Americana Blues

Banjo, Mandolinen, Dobro, Pedal Steel und eine komplette Brassband beherrschen den Sound auf Keb‘ Mo’s „Bluesamericana“, das mit zweijähriger Verspätung nun auch in Deutschland parallel zum neuen Live-Album „That Hot Pink Blues“ (beide: Kind Of Blue Music/H‘Art) erscheint. Wieder bestätigt der Gitarrist und Sänger seine Ausnahmestellung als feinsinniger Stilist, der wie kaum ein anderer Bluestradition und Moderne miteinander vereint.

Keb' Mo' (Foto: Kind of Blue Music)

Drei Grammys hat Keb‘ Mo‘ gewonnen, seine Songs wurden von Joe Cocker, B.B. King, Robert Palmer, Tom Jones und vielen anderen Größen gecovert. Seit 20 Jahren zählt er zu den erfolgreichsten zeitgenössischen Blues-Musikern der USA. Trotzdem waren manche seiner Alben bisher nur über Importwege in Deutschland zu bekommen; erst jetzt findet sich ein Vertrieb, der „Bluesamericana“ herausbringt, eine gelungene Melange aus Bluegrass, Gospel, Country, Blues und Old Time.

In manchen Momenten erinnert das Studioalbum an frühe Scheiben des Mentors Taj Mahal und an die grandiosen Gospel-beseelten Aufnahmen, die Ry Cooder einst mit den himmlischen, soulgetränkten Stimmen von Bobby King und Terry Evans veredelt hat. Zunächst hatte Keb‘ Mo‘, dessen bürgerlicher Name Kevin Moore weniger plakativ klingt, geplant, ein ganz spartanisches Album aufzunehmen.

„Stripped to the bone. Nur ich und meine Gitarre. Aber irgendwie ging es dann doch nicht. Ich liebe es doch zu sehr, in einem Ensemble zu spielen, als Teamplayer.“

Und so schufen Moore und ein gutes Dutzend von Mitmusikern einen Sound, der retro und zeitgemäß zugleich klingt. Ein flotter Soul-Stomper wie „Move“ oder das von einer Brassband im New-Orleans-Sound fröhlich angeheizte „The Old Me Better“ bestätigen Moores Anspruch, er habe versucht, ein Keb‘-Mo‘-Album mit Gute-Laune-Faktor zu produzieren. Das sei ihm auch gelungen, unterstreicht der Musiker selbstbewusst:

„Es ist wirklich mein Bestes und ich bin sehr zufrieden damit.“ Und der Titel? „Das ist meine Wortschöpfung. Irgendwie bin ich schon immer ein Künstler ohne Schublade gewesen. Und Americana ist nun mal ein Genre für die Leute, die in keine oder viele Schubladen passen.“

Einige Songs von „Bluesamericana“ serviert Keb‘ Mo‘ auch auf dem neuen Live-Album. Anders instrumentiert, nicht ganz so verspielt, aber mit dem für Moore typischen lockeren Groove, kommen die Songs daher. In „The Old Me Better“ prustet statt der Brassband Moore selbst das Big-Easy-Feeling unter die Leute – mit dem Kazoo. Leuchtend Pink ist das Cover. „Hot Pink“, sagt Moore, „denn wir wollten, dass es Lebensfreude signalisiert. Ich glaube, Hot Pink ist die vitalste Farbe im ganzen Spektrum.“ Es war ein Leichtes, genügend gutes Material für die Doppel-CD zu finden:

„Wir schneiden jede Show mit, um hinterher noch mal überprüfen zu können, wie es gelaufen ist. Es waren viele schöne Momente dabei, sodass ich meinen Drummer Casey Wasner gebeten habe, daraus ein Album zu machen.“

Live zu spielen, auf Tour zu sein, mit dem Publikum zu kommunizieren, das ist dem inzwischen 65-Jährigen immer noch sehr wichtig.

„In den nächsten fünf Jahren werde ich sicherlich noch extrem viel touren. In fünf Jahren bin ich 70, dann werde ich mich fragen: Willst du das noch? Und wenn ich es noch will, dann geht es weiter.“

Seit Jahren engagiert sich Moore mit Freunden wie Taj Mahal, Keith Richards, Sara Bareilles, den beiden Los Lobos David Hidalgo und Cesar Rosas für die Organisation „Playing for Change“. Einen Teil der Einnahmen aus dem Erlös seiner Plattenverkäufe stiftet er für das Projekt, das in den letzten Jahren unter anderem Schulen in Ländern wie Mali, Thailand, Nepal oder Brasilien aufgebaut hat. „Playing for Change“ kümmert sich insbesondere auch um die künstlerische und musikalische Bildung benachteiligter Kinder in sozialen Brennpunkten.

Moore selbst ist in Compton, einer Vorstadt von Los Angeles aufgewachsen. Bis heute, auch wenn es sich in den letzten Jahren etwas gebessert hat, ist Compton eine der gefährlichsten Städte der USA, 30 Prozent der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze. In den Sixties war die Stadt noch nicht so extrem wie in den 80ern, als die aus Compton stammenden Dr. Dre, Eazy-E, Ice Cube von der N.W.A. und andere Rapper begannen, Unmut und Verzweiflung, Wut und Hass in Worte zu fassen. Aber auch als Moore dort aufwuchs, griffen einschlägige Mechanismen. 1965, nach den Unruhen im Nachbarviertel Watts, mutierte Compton rasend schnell zu einem gefährlichen sozialen Brennpunkt und zum perspektivlosen Ghetto.

„Ich mochte die Schule nicht, habe geschwänzt. Ich habe meine Hausaufgaben nicht gemacht. Ich mochte nicht mal Sport. Ich mochte überhaupt nichts, was mit Schule zu tun hatte. Aber ich mochte Musik. Da habe ich mich immer aufgehoben gefühlt, da war ich aktiv. Da hab ich einen Sinn gesehen.“

Und so hat ihn die Calypso-Band, in der er als Teenager Ölfässer und Kontrabass bearbeitet hat, vor einer vermutlich weit weniger glücklichen Karriere bewahrt.

Text
Uwe Meyer
Foto
Kind of Blue Music

Veröffentlicht am unter 115, Feature, Heft

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