Olli Steidle & The Killing Popes

Die Leibniz′sche Rhythmusmaschine

Mit ernstem Blick, ein nachsichtig süffisantes Lächeln auf den Lippen, schaut er dem Hörer vom Cover herab entgegen: Gottfried Wilhelm Leibniz, der letzte Enzyklopädist, der in seiner Person das Weltwissen seiner Zeit vereinte.

Killing Popes (Foto: Rüdiger Kusserow)
Das von seinem Antlitz gezierte Album ist „Ego Pills“ von dem Berliner Drummer Oli Steidle und seiner Band The Killing Popes (Shhhpuma/Cleanfeed). Welten liegen zwischen dem Gemälde und der Musik, aber müsste man die CD mit nur einem Wort beschreiben, wäre „omnipotent“ tatsächlich naheliegend. Steidle bündelt freien Jazz und Jazzrock, extreme Formen von Heavy Metal, Drum ’n’ Bass und Dubstep sowie Spurenelemente zeitgenössischer E-Musik zu einer höchst komplexen und dennoch leicht hörbaren Supernova. Auf beeindruckende Weise löst er damit jenes Versprechen von Freiheit ein, das so oft gegeben, aber so selten gehalten wird.

„Musik hat mich immer schon global interessiert“, leitet Steidle ein. „Ich wollte den üblichen Prozess mal umdrehen. Die Musik geht nicht von den Melodieinstrumenten, sondern vom Rhythmus aus. Sie ist zwar streng komponiert, aber je länger man sich mit Musik beschäftigt, desto mehr merkt man, wie unterschiedlich man sie interpretieren kann. Daher kommt dann wohl die Freiheit.“

Bei alledem ist es erstaunlich, wie viele funkelnde melodische Fragmente sich aus diesem gebündelten Rhythmus-Stakkato ergeben. Mit den Keyboardern Dan Nicholls und Kit Downes, den Gitarristen Frank Möbus und Kalle Kalima, Saxofonist Philipp Gropper und Bassist Phil Donkin hat er dafür das passende Konklave. G. W. Leibniz ist nicht zum Papst geworden. Vielleicht erlangt ja Oli Steidle einst päpstliche Weihen für seinen allumfassenden Killersound.

Text
Wolf Kampmann
Foto
Rüdiger Kusserow

Veröffentlicht am unter 129, Feature, Heft

Deutscher Jazzpreis 2025