Peter Gall

Kein Interesse an Virtuosität

„Love Avatar“ (Compost/Groove Attack) ist ein Albumtitel, der gut in die Zeit passt. Auch die Beats, die Schlagzeuger Peter Gall zur Grundlage für seine zehn Songs genommen hat – auf der Vinylversion sind es nur sieben –, klingen modern und komplex.

Peter Gall (Foto: Dovile Sermokas)

Am eindrucksvollsten ist das vielleicht auf „Closing The Chapter“ zu hören, dem mit acht Minuten längsten Stück des Albums. „Entstanden ist der Song durch eine Improvisation in meinem Proberaum“, erinnert Gall sich. „Die Rhythmen habe ich dann um Synthiespuren verstärkt. Auf einer Zugfahrt habe ich das Stück dann mit einem Keyboard zu Ende komponiert. Die Band hat das Stück dann natürlich auch noch verändert. Vor allem Wanja hatte einen starken Einfluss.“

Das Quintett, das auf „Love Avatar“ zu hören ist – Bassist Matthias Pichler, Saxofonist Wanja Slavin, Pianist Rainer Böhm und Gitarrist Reinier Baas –, fand vor acht Jahren zueinander. „2016 habe ich Matthias, Wanja und Rainer ins Studio eingeladen, um auf meinem Album zu spielen“, erinnert sich Gall. „Reinier kannte ich aus New York, den habe ich dann auch noch dazugebeten. Und daraus ist dann eine feste Band entstanden. Alle vier sind starke individuelle Stimmen und verpassen jedem Song ihren eigenen Stempel. Ich kenne niemanden, der so emotional Saxofon spielt wie Wanja, und auch Reinier klingt an der Gitarre wie niemand sonst.“

Eine typische Schlagzeugerplatte ist „Love Avatar“ ganz und gar nicht, auf virtuose Zurschaustellung seines Könnens verzichtet Gall (fast) komplett. Das liegt unter anderem auch daran, dass der Schlagzeuger der Virtuosität – nicht nur im Jazz – nicht viel abgewinnen kann, Understatement inklusive. „Ich halte mich nicht für einen besonders virtuosen Schlagzeuger“, stapelt Gall tief. „Deshalb gibt es auch auf meiner neuen Platte nur ein Schlagzeugsolo, und das ist gut versteckt in den betreffenden Song integriert. Virtuosen haben mich auch nie besonders geprägt, ich kann mich eher für das Feeling und die Stimmung eines Songs begeistern.“

Text
Ralf Dombrowski
Foto
Dovile Sermokas

Veröffentlicht am unter 155, Feature, Heft

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