Editorial #130
Liebe Leserinnen und Leser,
ein „historisches“ Coverbild mit einem Musiker, der nicht mehr unter uns weilt: Das ist eine Premiere in der 26-jährigen Geschichte von Jazz thing. Aber für wen soll man seine (ungeschriebenen) Regeln brechen, wenn nicht für den Großmeister des Jazz, der sich unzählige Male in seiner Karriere neu erfunden hat?
Der Anlass: die Veröffentlichung des „verschollenen“ Albums „Rubberband“ mit überarbeiteten Aufnahmen aus dem Jahr 1985. Doch wie viel Miles steckt wirklich in diesem Album? Um das zu erkunden, hat Wolf Kampmann mit zwei Protagonisten gesprochen, die sowohl an den Originaleinspielungen als auch an der Fertigstellung und „Modernisierung“ der zwar als Album geplanten, aber aus labelpolitischen Gründen damals abrupt beendeten Aufnahmen beteiligt waren: Davis-Neffe und -Nachlassverwalter Vince Wilburn, Jr. und Randy Hall. Zudem verraten uns die Spitzentrompeter und Davis-Fans Frederik Köster und Thomas Siffling, was sie von dem Album halten (S. 38–41).
Historisch bedeutsam und zugleich hochaktuell ist auch das Münchner Label ECM, das in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert. Das haben wir zum Anlass genommen, ein 20-seitiges Dossier rund um diese legendäre Plattenfirma zusammenzustellen (S. 60–79). Stefan Hentz, Martin Laurentius, Wolf Kampmann und die Gast-Autor/-innen Daniel Martin Feige, Konstantin Jahn und Anke Steinbeck beleuchten auch außermusikalische Aspekte des Gesamtkunstwerks ECM wie Film, Ästhetik und Design. Auch Labelchef Manfred Eicher konnten wir für einige Statements zur Geschichte und Zukunft seines Lebenswerks gewinnen.
Eine weitere Jazzlegende kommt im Gespräch mit dem Kölner Pianisten Pablo Held zu Wort: der Schlagzeuger Joey Baron, der seit seinen Anfängen in den frühen 70er-Jahren an der Seite von Carmen McRae oder Al Jarreau schon mit so ziemlich allen Größen aus dem Jazz zusammengearbeitet hat (S. 92–95).
Und noch mal zurück zur Trompete: Unsere Reihe „Jazz thing at the Club“ geht am 22. Oktober mit Theo Croker weiter – wie immer im Club Bahnhof Ehrenfeld in Köln. „Jazz doesn’t really fucking exist! Es ist ein Ausdruck, der erfunden wurde, um Musik zu verkaufen. Coltrane und Miles haben einfach alles aufgesogen. Von denen hat sich keiner vorgenommen, ‚Jazz‘ zu studieren“, echauffierte er sich in Ausgabe 129 im Gespräch mit unserem Autor Jan Paersch – man darf sich live auf eine explosive Mischung unterschiedlichster Stile freuen.
Viel Freude mit dieser Ausgabe wünscht
Axel Stinshoff
Chefredakteur Jazz thing & Blue Rhythm