Bregenzerwald
Weisen und Wiesen, Teil 2
Einen Zollstock breit stoppt Alfreds Wagen vor der Hauswand, David Helbock steht bereits wartend in der Tür. „Es kann losgehen“, begrüßt ihn Alfred und schlendert mit den Einkaufstüten in Davids Elternhaus. „Meine Eltern sind ausgeflogen, Kino!“, erläutert der Wahlwiener grinsend und leitet uns weiter in die Küche. „Fangen wir gleich an, Peter kommt später, er unterrichtet noch.“
Laut seiner chinesischen Akupunkturspezialistin soll Alfred Kaffee und Chili vermeiden, erklärt uns der Trommler und hackmessert nichtsdestotrotz frischen, roten Chili, den er von seinem Vater in Form einer ganzen Pflanze erhielt. Scharfer Vater.
Zucchini schneidet David, in große Scheiben. Doch zuerst köpft er die Enden der länglichen Frucht. Alfred trägt einen roten Schal (mit Waldarbeiterhemd wie ein Trapper wirkend = www.traps.at) und berichtet von dem geheimen Zungentrick: Die aufsteigenden, ätherischen Öle der Zwiebel suchen sich die erste feuchte Stelle, und deswegen sollte man beim Zwiebelschneiden immer die Zunge aus dem Mund hängen lassen. Ätsch, es funktioniert sogar! Vor etwa zehn Jahren trafen sich Alfred und David zum ersten Male, im Jazzhuus in Lustenau, dem Geburtsort des Schlagwerkers. Hier war Peter Madsen der Kuppler, sinnbildend das Bindeglied der Vorarlberger Jazzszene. David berichtet von seiner Indienreise, während sich Zucchini und Wasser im Mixer zu einer giftgrünen Farbe verwandeln. David würzt mit „A. Vogel – Herbamare“ (Spicy Pikant, Meersalz mit Gewürzen), logisch, an diesem Abend noch mehr. Das schweizerische Roggwill (Herkunftsort der Würze) swingt mit Verve.
Mit Jetlag – aufgrund Amerikareise – im Nacken und nach zehn Stunden Unterricht taucht der Mann fürs Dessert auf: Peter Madsen, Amerikaner dänischer Herkunft. Ein kurzes herzliches „Hello“, und alle stürzen sich wieder ins Zubereiten ihrer Speisen. Alfred teilt die Limetten, brät die Currypaste in der Pfanne und legt die Maispoulardenbrüstchen hinein.
Während Peter Walnusskerne von Walnüssen des eigenen Baumes zerkleinert, erzählt er von seiner Mutter: „Sie hat gebacken wie der Teufel, eins nach dem anderen ging in den Ofen und wieder heraus.“ Es herrscht ein Treiben in der Küche wie zu Hochzeiten in der Kantine, Zum Glück kann ich immer wieder in die begehbare Speisekammer ausweichen, um schnellen Kochbewegungen dreier Pianisten nicht anheimzufallen.
David ist bereit und verfeinert sein Zucchinisüppchen mit einem Sahneklecks für jeden Teller. Dazu noch Croutons und Nüsse. „Essen“, ruft David allen zu. „Mein low fat dish wird sonst kalt.“ Apropos kalt, das Codewort für Alfred, der sogleich die erste Bouteille der mitgebrachten Weinchen öffnet. Aber gerne. Ein Kollwentz, Gloria, 2010er, Burgenland, 14 Prozent (www.kollwentz.at). Österreichischer Chardonnay vom Leithagebirge.
Frisch, leicht säuerlich, mit kaum merkbarem Knoblauchgeschmack, ist die Suppe eine stimmige Ouvertüre. Der Reigen wird nach einer kurzen Pause fortgesetzt. Das goldgelbe Federvieh ist in Verbindung mit Schärfe und Gewürzen eine Wohltat. Der gedämpfte Reis wirkt dämpfend als milder Ausgleich. Schon in Alfreds Werken beim Zubereiten seines Hauptgerichts merkte man seine Erfahrung durch häufige Konfrontation mit Essen und Trinken in einem guten Hotel mit Haubenküche. Ob eine zukünftige seiner Tonkonserven „Haubentaucher“ genannt werden wird?
Der zweite Wein des Abends erfährt seinen Auftritt: Dido, Macabeu i Garnatxa, 2010er, Montsant, 14 Prozent, Propietaris Sara Perez i René Barbier (Consell Regulador Montsant) – eine Cuvee aus den Sorten Macabeo, Garnacha Blanca und Xarello. Ausführlich genug beschrieben? Er duftet apfelig, leicht süßlich, etwas mostig, Mentholspuren. Doppelölige Tropfen senken sich auf der Glasinnenfläche. Nun meine ich Fencheltöne, bittere Grapefruitnoten und Eukalyptus zu verspüren. Komplex und doch leicht erfahrbar. Spaniens Weißweine sind nicht zu unterschätzen.
Peter verschwindet schnell in der Küche und spaziert nun mit seinen Schokokugeln herein, handgerollt mit Erdbeerhälften und etwas Sahne drapiert. Eine sehr reichhaltige Nachspeise. O lala. Stillschweigend genießen wir. Wird sich der Winterspeck in eine Frühlingsrolle verwandeln? Gedankenbilder verschwinden. Gespräche über das „Geschäft“ nehmen Gestalt an. Die drei Herren palavern über ihr bevorstehendes Festival im Spielboden und erörtern mit unserem Tagesfotografen Harald „Harry“ Gmeiner fotografische Optionen für ihren Auftritt. Bilder und somit Erinnerungen sollen festgehalten werden, um wieder geweckt zu werden, beim Betrachten von Vergangenem in der Zukunft. Spät am Abend sitze ich wieder neben Alfred im Auto – ist er nicht doch eine Wiedergeburt des Kranichvogels namens Trappe? –, und Anlauf nehmend, stechen wir zum Bödele hoch, um zu mitternächtlicher Stunde am Hotel Post zu sein. Sternenklarer Himmel. Bezau Beatz der Stille.