Irisches Soulfood
Landpartie mit Werner Seifert, Karsten Jahnke und Tom Glagow
Wussten Sie, dass in Irland nur selten Keller gebaut werden, weil aus der Erde Radongas aufsteigen kann? Ich auch nicht. Widmen wir uns lieber der Verbutterung tierischer Milch im County Cork. Die traditionell in Irland hergestellte Butter spielte ihre Rolle auch im wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt Cork. Vom Hafen aus wurden im 19. und 20. Jahrhundert hunderte von Tonnen gesalzene irische „Markenbutter“ in alle Teile der Welt verschifft, zum Beispiel bis nach Australien und in die Karibik. Dieser Teil der Geschichte Irlands und Corks lässt sich heute im Butter-Museum der Stadt bewundern, welches wir das nächste Mal definitiv besuchen werden. Gefährlich für Veranstalter hinsichtlich Naturalien-Deal wäre die Vorstellung, mich in Butter aufzuwiegen.
Doch bleiben wir beim genussvollen Geschmacksträger Fett. Ein Ferran Adriá kann mit seinen Kunstwerken abstinken gegen mein samstägliches Butterbrot. Er hat nicht die geringste Chance. Die Kunst liegt im Einfachen, sie ist eine Interpretation der Wahrheit. Und da Wahrheiten unter subjektivem Einfluss stehen, gibt es nun einen Fettknaller, eine Geschmacksbombe der lokalen Finesse: das irische Frühstück à la Clonakilty. Heureka! Doch Vorsicht! Wenn Sie nicht tagtäglich harte körperliche Arbeit vollziehen oder professioneller Gewichtheber sind und auch kein Sumo-Ringer werden wollen, empfiehlt es sich, das nachfolgende Breakfast Special nur in mehr oder minder homöopathischen Dosen zu sich zu nehmen. Sperren Sie Ihren blabbernden AOK-Ökotrophologen in den Besenschrank (ohne Tennisspieler…).
Ein neuer Tag. Werner packt die Riesenpfannen aus. Seine formidable „englische Landhausküche“ besitzt wie bei Claude Nobs einen berühmt-berüchtigten AGA-Ofen, der garantiert in keine der winzigen Normstehküchen passt. Auch nicht senkrecht.
Alles ist in der Küche versammelt, denn der himmlische Duft zieht durchs ganze Haus. Spiegeleier, Würstchen, Blut- und Leberwurstscheiben, Schinken und kleine Tomatenhälften garen in unterschiedlichen Pfannen bis zum optimalen Verzehrungsgrad. Übrigens, White Pudding wird die Leberwurst und Black Pudding die Blutwurst genannt. Wie im „richtigen“ Jazz: Schwarz und Weiß in der Gluthitze vereint. „Ich bin schon ganz betrunken von diesen süßen Fettdüften“, entfleucht es meinem Munde… „Wenn du besoffen spielen willst, musst du auch besoffen üben“, zitiert Werner. Tom nickt schelmisch. Karsten schmunzelt. Großartig. Der Hausherr erhält von mir dafür den irischen Slowfood-Orden erster Klasse.
Nun aber Abmarsch, der Markt ruft. Zuvor allerdings müssen die Gusseisenpfannen mit heißem Wasser ausgespült, gereinigt, mit Papiertüchern trockengewischt und hernach eingeölt werden. Die Einhaltung dieser Gebrauchsanweisung ist oberste Pflicht. Während der Autofahrt auf einem Schleichweg zu den ehrenwerten Corker Markthallen kommt die Frage auf, welche zehn CDs denn jeder mit auf die einsame Insel nehmen würde. Vielleicht doch lieber eine Pfanne einpacken stattdessen?
Wir stöbern erst einmal zwecks Übersicht durch die Verkaufsstätte. Unser Mann mit Schnurrbart sinniert über Ossobuco mit Lammhaxen, entscheidet sich dann aber gemäß dem Rezept für Gigot (Keule).
Wir nähern uns dem auserwählten Brotstand: Seeded Spelt Soya Bread soll es sein. Laut Erzählung geht in Irland keine Hefe ins Brot, sondern ausschließlich in die Schnapsbrennerei. Wohl bekomm’s! Also alles Sauerteig. Sauer macht lustig, Schnaps manchmal auch. Tom erweist sich als der perfekte Schlepper; Tüte auf Tüte nimmt er eisern ans Handgelenk. Karsten legt die für sich eingekauften Bio-Mandelplätzchen und getrockneten Pfaumen in den Fond des ordnungsgemäß im Parkhaus abgestellten Geländewagens. „Abfahrt!“ höre ich ihn sagen. So soll es sein. Vorfahrt für Tom, er darf vorne sitzen, auf dem Produzentensessel.