Mutterbutter und prägende Kindheitserinnerungen

Im Hier und Jetzt mit Pierre Favre

Pierre Favre kocht Jakobsmuscheln mit AbsinthsoßePierre nimmt eine Tüte aus dem Kühlschrank. Es sind die Jakobsmuscheln. Doch vor der Kocherei soll noch der Tisch gedeckt werden. Besteckgeklirr, Messersägentöne am gebackenen Teigling, bis der Brotkorb gefüllt ist. Auf der elektronischen Feuerstelle landet die „normalbeschichtete“ Pfanne. Darin wird die Butter aufgelöst. Ein kräftiger Schlag davon. Die sich schmelzende, dicke Eiweißflocke kreist unter der Gabel in der runden Bratform. Bedächtige Kreise, Besenspiel. Zischeln.

Pierre Favre flambiert Jakobsmuscheln in AbsinthMit ruhiger Hand lässt Monsieur Favre die Muscheln einzeln in die warme Butter gleiten. Sie werden einmal gewendet. „Nun führen wir das Experiment durch.“ Pierres Idee ist es, eine Soße mit Absinth zuzubereiten. Womit und woraus wird dieses alkoholische Getränk hergestellt? Richtig, neben einer speziellen Mischung von Gewürzkräutern (u. a. grüner Anis, Sternanis, Fenchel, Melisse, Ysop und Koriander) und reinem Alkohol vornehmlich aus dem Wermutkraut (lateinisch Artemisia absinthium), welches in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Val de Travers sogar großflächig angebaut wurde. Letzteres schwoll zum Zentrum der Absinthherstellung an. Ein Schwall wohl zu viel. Ab 1910 per Volksabstimmung verboten und seit 2005 in der Schweiz wieder erlaubt. Ei, siehe da. Pierre bevorzugt die schweizerische Marke Kübler, die traditionell aus seiner Heimat kommt. Es ist das einzige auf dem Weltmarkt erhältliche Produkt, das aus der geschichtlichen Wiege der Absinthe stammt und deren verwendete Kräuter nach biologischen Richtlinien angebaut werden.

Ab damit zum Gargut und her mit dem Streichholz. Die Zündung klappt filmreif. „Sonst schmeckt’s nicht“, merkt der Tonmeister an. Tja, Thema Feuer und Flamme (sein). „Jeder will Leader sein, aber keiner die Verantwortung übernehmen“, erklärt unser Mann am Herd weise. Nicken im Kreise. Sodann, hurtig an den Tisch. Ein kurzes Prosit und her mit den auch Pilgermuscheln genannten Meeresbewohnern. Süßlich, nussig schmecken die weißen Muskelstränge, und die formidable Soße passt sich an wie ein perfekt sitzendes Kleid … Welches Salz benutzt der Meister? Sogenanntes „Himalaya-Salz“. Dieses stammt trotz seiner Handelsbezeichnung nicht aus der Himalayaregion, sondern im Wesentlichen aus dem Salzbergwerk Khewra in der pakistanischen Provinz Punjab. Immerhin hat dieses Steinsalz keine vom Autor verachteten Trennmittel, wie diverse heimische Produkte sie vorweisen. Glaube versetzt Berge. Halten wir uns an unverschmutzte Urmeere oder wenig verschmutztes getrocknetes Meerwasser (www.marisol.de) … Pierre empfiehlt den Dokumentarfilm von Ulrike Koch „Die Salzmänner von Tibet“ aus der ARTE-Edition.

Forellenfilet?

Text
Dieter Ilg
Foto
Palma Fiacco

Veröffentlicht am unter 90, Jazz cooks

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