Mutterbutter und prägende Kindheitserinnerungen

Im Hier und Jetzt mit Pierre Favre

Pierre Favre am eigenen HerdForellenfilet. Prima, ein einheimischer Binnenwasserjäger, der Freund der Fliegenfischer, wäre optimal. Das als Gruß eines bedächtigen Grundanglers. Entfernen wir uns vom Blei und neigen uns dem Hauptgericht zu. Pierre legt die Forellenfilets in eine Bratenreine aus Edelstahl, die mit Sonnenblumenöl eingefettet wurde. Dazu ein bisschen Bouillon und Sojasauce. Ab in den Backofen bei ca. 120° C. Inzwischen hat der Gongexperte die vorgeschälten Kartoffeln länglich geviertelt und legt dieselben in den Dämpfeinsatz des Kochtopfs. Anschließend holt er den Fisch aus dem Ofen und gießt Weißwein darüber sowie einen gezielten Schuss Sahne.

Forellenfilet mit KartoffelnPierre spült die benutzten Teller ab. Sie sind „untrennbare“ Reiseerinnerungen, erworben auf einer Tournee in Polen. Alles geht ruhig und besonnen seinen Gang, bedächtig trocknet der Klangspurenforscher mit einem jeweils blauen und roten Geschirrtuch das Porzellan ab.

Zwischenzeitlich berichtet Pierre von einer Kaffeezeremonie in Äthiopien. „Ich weiß nicht mehr, ob das Land, die Frauen oder der Kaffee am euphorisierendsten gewirkt haben“, lässt er schmunzelnd verlauten und zieht sich den Hitzeschutz über die Hände. „Ich kann es nicht ausstehen, mich am Backofen zu verbrennen.“ Keine Brandblasen beim Brandmeister. Eher noch ein kleines, zweites Gläschen kühlen Weines als Gegenpol zur Erhitzung der Gemüter. Sodann werden die dem Ofen entnommenen Fischteile aus der Garform auf die bereitgestellten Teller gelegt, behutsam, wie es sich gehört. Dazu die Dampfkartoffeln. Die Forelle sieht aus wie ein Saibling. Ach, es bleibt ja alles in der Familie aus der Gattung der Salmoniden. Zu Tisch lobt Pierres Frau Agnieszka lächelnd seine Sauce: „Du solltest öfter kochen.“ Formidabel. Mittlerweile kursieren Tourneegeschichten aus einem reichhaltigen, lebhaften Musikertreiben. Pierre erzählt Anekdoten von einer Brasilienreise. Jung geblieben. Kurze Ruhe ist eingekehrt. Vogelgezwitscher hörbar.

Vanilleeis mit heißen Himbeeren„Soll ich noch einen Salat machen?“, schallt es fragend durch den Raum. Alles schreit nach Nachtisch. Da haben wir den Salat. Und bald zieht der Duft heißer Beeren durch die Lüfte. Kindheitserinnerungen rot-weiß. Auch die Nationalfarben der Schweiz und Polens. Schöne Symbolik. Pierre schwärmt von den roten Johannisbeeren mit Meringue, von seiner Mutter selbstgemacht. O Mann, Meringue, auch eine Liebkosung meiner Sehnsüchte! Dazu vielleicht eine Vanillesahne … Zurück zu Pierre, der sich mit vier Brüdern das Essen teilte wie den damaligen Luxus „Rösti mit Tomatensalat“. Gut gemacht sind die einfachsten Speisen die edelsten der Welt. Kein Chichi, kein Tamtam … Ein Gong ertönt.

Pierre kommt in Fahrt, die ich mit Vergnügen anheize.

Text
Dieter Ilg
Foto
Palma Fiacco

Veröffentlicht am unter 90, Jazz cooks

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