Weniger isst Meer. Mit David Friedman bei Peter Weniger unterm Dach
Ursprünglich wurde werktags am Morgen der Topf für die Daube gefüllt und auf den Ofen oder in den Herd gestellt. Bei kleiner Flamme garte das Fleisch wenigstens acht, wenn nicht sogar zwölf Stunden, je nachdem, wie lange der Arbeitstag war. Einzige Voraussetzung war, dass die Hausfrau oder Köchin beständig das Schmorgericht mit regionalem (logisch) Rotwein ablöschte.
Eine Daube (nach franz. „dauber“ = „schmoren“) ist eine spezielle Art der Ragoutzubereitung, die typisch für die Provence ist. Hergestellt mit Wildfleisch, vornehmlich Wildschwein, oder eben mit Rind, Lamm etc. Daube wird oft wie eine Suppe – meistens einfach mit Brot – gegessen.
Der Duopartner David Friedmans knöpft sich für die Vorspeise nun den gewaschenen Rucola vor und entfernt den unteren Teil der Stängel. Für die Vinaigrette bevorzugt er Dijonsenf und Blütenhonig.
Neuerdings hat fertige Balsamicocreme Einzug in die Haushalte genommen. Ich mag sie nicht. Zu viele künstliche Zusatzstoffe. Lieber nehme ich stattdessen einen erstklassigen Balsamico und füge Süße durch Ahornsirup hinzu. Wem die Konsistenz wichtig ist, muss den Balsamico bis zur gewünschten Dicke einkochen. Je besser der Balsamico, desto weniger Puderzucker oder andere Süße muss beigegeben werden.
Peter filetiert die Limette und quetscht die Restfrucht zum Heringsrogen. „Den sollte man im Sieb abspülen, da er manchmal in sehr salziger Lake eingelegt wird.“ David, mittlerweile eingetroffen, macht sich’s am Küchentisch gemütlich. „Da bin ich ja gerade richtig gekommen“, lässt er verlauten, in Anbetracht der angerichteten Vorspeise. Kein Trachinus Vipera, auch Petermännchen genannt. Statt Eiern vom Stör: Eier vom Hering. Die bezahlbare Alternative. Funktioniert auch mit frischem Forellenrogen. Das wäre die Süßwasseralternative. Stört keinen.
„Ich hätte gern noch ein wenig mehr“, höre ich mich sagen. Es dauert nicht lange, und ich komme dagegen nicht an, bis es in mich fährt, unaufhaltbar: „Weniger isst Meer.“ Geschrieben verständlicher denn gesprochen …
Während die Daube vor sich hin simmert, widmen sich die beiden Protagonisten dem Dessert. „Ein Winternachtisch“, meint Peter und instruiert seinen Bühnenpartner zum Stampfen. Klingt in der Vorstellung martialischer als in der Realität, in der David die Amaretti-Plätzchen in einem durchsichtigen Plastikbeutel mit einem Wasserglas vorsichtig zu Grieß zerstößelt. „Für die Geschmeidigkeit“, murmelt Peter und hantiert mit Quark, Zucker und Milch. Eine Schichtspeise für jede Schicht. Ein deutscher Klassiker. Gott sei Dank kein Schichtsalat!
Isabel philosophiert über das Sonntagskochen, bei sich zu Hause in Frankreich. Die Wirkung des stundenlangen, gemeinschaftlichen Kochens, bis selbst die Kinder vergnügt und selig von sich aus erzählen.
Doch erst einmal steht die Hauptspeise an. Der Tisch im Wohnzimmer ist gedeckt. Peter serviert die Kartoffelhälften, die Bohnen und natürlich die Daube mit den Worten: „In Arles gibt es dieses Gericht am Tag nach dem Stierkampf in der Arena. Es wird aus dem Tier zubereitet, das den Kampf verloren hat.“ Heiliger Strohsack. Darwin lässt grüßen.
Betäuben wir unseren Geist ein wenig mit einem Rioja Reserva 2007 von Remelluri. „Vom spanischen Weinladen in der Knesebeckstraße“, fügt Peter hinzu. Na ja, 94 Parkerpunkte sind schon eine Trophäe in den Zeiten der Etikettentrinker. Wir sind keine und unterwerfen uns nicht dieser Etikette – lieber Charlie Parker als Robert Parker.
Im Hintergrund tönt Louis Armstrong, als nach der Schichtspeise eine kleine Käseplatte durch die Runde kreist. Ein blauschimmliger Saint Agur, einen mittelreifen Crottin de Chavignol (von der Ziege), ein halbfester Saint Nectaire aus der Auvergne, ein Chaource und ein Appenzeller. Letzterer „statt eines Beaufort“, betont Peter. Der gemütliche Abend unterm Dach endet mit einer Digestiv-Wahl. Steinhäger, schottischer Glenfarclas oder ein Viriana-China-China-Likör? Peter erklärt die Notwendigkeit der Zumischung von Wasser in den Whisky, zur Trinkbarmachung und Genussfreude.
Ich begnüge mich mit einem Schluck des Orangenbitterlikörs. Das Leben kann süß sein.