212: Jazz thing Mixtape auf ByteFM
„Ich überdenke die Vorstellung von Zeit und suche nach einer Möglichkeit, mich selbst zu befreien“, hat der südafrikanische Bassist Herbie Tsoaeli einmal gesagt. Und weiter: „Zeit hat so viele Frequenzen und Geschwindigkeiten, die sich irgendwann auch in musikalischen Symbolen niederschlagen … an diesem Punkt beschäftige ich mich meist mit der inneren Zeit.“ Im Jazz thing Mixtape für den April, das natürlich und längst überfällig einen heimischen „Hit“ von Tsoaeli enthält, gibt es in 60 Minuten innerer und äußerer Zeit außerdem soulful Fusion-Funk aus Hamburg und eine Premiere aus Berlin, die Initiation einer singenden und Chöre leitenden Harfenistin aus Frankreich, Teil einer symphonischen Jazz-Suite für und aus Odessa, gesungene Alchemie aus Kuba und etwas Verirrtes aus dem weiten Katalog von Duke Ellington.
Der Reihenfolge nach: „Space“ heißt ein neuer, süßlich-saftiger Track des in Hamburg lebenden und arbeitenden Drummers und Produzenten Silvan Strauss, der mit dieser typisch Strauss-schen Soul-Strings-Kopfnick-Fusion sein zweites Album für Kabul Fire ankündigt. Nicht ganz zufällig läuft im Anschluss daran eine wundersame Initiation der aus Guadeloupe stammenden Harfenisten, Sängerin und Chorleiterin Sophye Soliveau. Inspiriert von Francis Poulencs Chorwerken, dem Neo-Soul der Sängerin Rachelle Ferrell oder den „Stimm-Windungen“ von Bobby McFerrin und natürlich Dorothy Ashby lässt sie uns laut Radio France „in eine sinnliche Trance-Welt im Dienste ihrer beiden Instrumente eintauchen: der Harfe und der Stimme“. Dayme Arocena ist eine inzwischen in London lebende kubanische Sängerin, die der DJ und Tastemaker Gilles Peterson vor gut zehn Jahren, wenn man so will, entdeckt hat und seitdem fördert. Ihr neues Album trägt den universalverständlichen Titel „Alkemi“ – wir hören daraus den R&B-Banger „American Boy“.
Erst kürzlich hat der südafrikanische Bassist Herbie Tsoaeli sein bereits 2012 aufgenommenes Album „African Time“ auch digital verfügbar gemacht, aus dem wir „Hama Lo Malume“ hören – ein Hit in seiner Heimat, auf dem Herbie nicht nur den Bass spielt, sondern übrigens auch mit dieser markerschütternden Stimme singt. Sein instrumentaler Kollege Paul Kleber, bekannt durch Bands wie Micatone, dem Lisa Bassenges Trio und die Arbeit mit Jazzanova und vielen mehr, veröffentlicht jetzt endlich sein Debütalbum. „Little Home“ ist ein Kleinod großer Melodien und erscheint bei XJAZZ – wir hören in diesem Mixtape ein erstes Stück daraus, schon vor der Veröffentlichung: „A Little Loving“. Gut zu erkennen ist auf diesem Stück sein Labelchef und Freund Sebastian Studnitzky an der Trompete, der mit dem orchestralen Werk „Memento Odesa“ mehr als nur auf die Situation in der Ukraine aufmerksam machen will – er hilft direkt, in dem er auch bei den Konzerten neulich in Deutschland immer wieder für die Menschen in Odessa sammelt.
Hilde heißt eine Band um vier sehr verschiedene Musikerinnen, die sich bei The Dorf kennengelernt haben. Ihr zweites gemeinsames Album haben Marie Daniels, Julia Brüssel, Emily Wittbrodt und Maria Trautmann „tide“ genannt, vielleicht auch, weil sich das große Ganze so organisch hebt und senkt und fließt wie das Stück, das wir daraus hören: „river“. Aki Takase und Daniel Erdmann bilden seit einigen Jahren ein einzigartiges Duo, das besonders auch durch Interpretation großer Standards immer wieder für Aufmerksamkeit sorgt. Jetzt haben sie ein komplettes Album mit Ellington-Stücken aufgenommen und es ist genau so, wie man es sich erhofft; gut nachzuhören hier bei „Perdido“, das natürlich eigentlich von Juan Tizol komponiert wurde und laut der künstlichen Intelligenz einer übersetzenden Suchmaschine „verirrt“ oder „verloren“ bedeutet. (Perdu, wie man im frankogermanischen Raum sagen würde.)
„Who We Are“ heißt das aktuelle Album des Pianisten Pablo Held, aufgenommen mit seinem unschlagbaren Trio mit Robert Landfermann am Bass und Jonas Burgwinkel am Schlagzeug. Es ist auf Helds eigenem Label Hopalit erschienen und beinhaltet unter anderem die sich windend narrative „The Mirror Merchant’s Tale“, die wir in diesem MIxtape hören. Die dänische Sängerin Mia Knop Jacobsen veröffentlicht mit „Ease“ ihr neues Album, das sie übrigens am 19. April beim Jazzfest Bonn und am 21. April im A-Trane in Berlin präsentieren wird – mit Julia Hülsmann, Igor Osypov, Marc Muelbauer und Philipp Dornbusch. Das Projekt Black Lives, eine regelrecht grenzen- und generationenübergreifend All-Star-Band, veröffentlicht jetzt das zweite Album mit dem Titel „People Of Earth“, aus dem wir zum Abschluss dieses Mixtapes den Track „Think“ hören. Im Anschluss daran gibt es vielleicht sogar noch etwas Overtime mit Musik vom neuen Blue-Note-Album der Saxofonistin Melissa Aldana. Es heißt „Echoes Of The Inner Prophet“ und wir hören daraus „The Solitary Seeker“. Das Jazz thing Mixtape gibt es am kommenden Sonntag, 14. April, ab 12 Uhr Mittags auf ByteFM – mit Götz Bühler am Mikrofon.
Playlist #212
für das Jazz thing Mixtape vom Sonntag, 14.4.2024, 12 – 13 Uhr
Silvan Strauss SPACE SPACE (Kabul Fire)
Sophye Soliveau Initiation II – Wonder Why INITIATION (La Boule Noire)
Dayme Arocena American Boy Alkemi (Brownswood/Indigo)
Herbie Tsoaeli Hamba No Malume African Time (Sheer Sound/Bandcamp)
Paul Kleber A Little Loving Little Home (XJAZZ/The Orchard)
Studnitzky Organic Memento Odesa (XJAZZ/The Orchard)
Hilde river tide (Boomslang/Galileo MC)
Aki Takase & Daniel Erdmann Perdido Ellington (enja/edel)
Pablo Held The Mirror Merchant’s Tale Who We Are (Hopalit/Bandcamp)
Mia Knop Jacobsen Ease Ease (miaknopjacobsen.com)
Black Lives II Think People Of Earth (Jammin‘ Colors/Broken Silence)
Melissa Aldana The Solitary Seeker Echoes Of The Inner Prophet (Blue Note/Universal)
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