Gestorben: Paul Motian

Drummer Paul MotianIst am 22.11. 80-jährig gestorben: Paul Motian

Sein letztes Album, „Lost In A Dream“ (ECM/Universal) aus dem vergangenen Jahr, spielte Paul Motian2009 live im New Yorker Club Village Vanguard ein. Dem Ort also, in dem der Schlagzeuger vor gut 50 Jahren schon einmal für Furore sorgte: im mittlerweile legendären Trio mit dem Pianisten Bill Evans und dem Bassisten Scott LaFaro. Die drei Musiker setzten damals für das Jazz-Piano-Trio die Maßstäbe neu: Mit ihrem dichten, stets antizipierenden Zusammenspiel hoben die sie die Funktion von Solist und Begleitung auf und legten den Grundstein dafür, dass diese Besetzung im Laufe der Jahrzehnte beim Publikum so populär wurde, und die Platten „Sunday At The Village Vanguard“ und „Waltz For Debby“ jazzmusikalische Meilensteine wurden. „Das klingt, als ob es gestern aufgenommen worden wäre“, erzählte Motian vor anderthalb Jahren unserem Jazz-thing-Autor Reinhard Köchl. „Darum geht es: Musik zu schaffen, die keine Moden oder eine bestimmte Zeit braucht, um die Menschen zu erreichen.“

Eine nicht unbedeutende Rolle nahm Motian in diesem Trio mit Evans und LaFaro ein. Er definierte das Schlagzeugspiel im Jazz vielleicht nicht neu, aber er befreite es unter anderem von der „Fesselung“ an den Beat. Motian trommelte keine Patterns, sondern abstrahierte Swing und Groove fast bis zur Unkenntlichkeit, setzte das rhythmische Fundament selbst in Brand und experimentierte mit den „Klangfarben“ seines Instruments – komplex und sensibel zugleich. Seine spielerische Unabhängigkeit auf dem Drumset behielt er zeitlebens bei. Gleichgültig, ob mit Paul Bley oder später im Quartett mit Keith Jarrett, Dewey Redman und Charlie Haden: Stets spielte er frei, ohne tatsächlich „free“ zu sein, konzentrierte sich auf Dynamik sowie harmonische und melodische Prozesse und war ungebunden in der Wahl seiner instrumentaltechnischen Mittel.

„Paul war ein hart swingender ,Free Jazz‘-Drummer mit einem untrüglichen Gespür für Time, Phrasierung und Form“, so der Saxofonist Joe Lovano im amerikanischen „JazzTimes Magazine“, als er erfahren hat, dass Motian am Dienstag, den 22. November, im Alter von 80 Jahren gestorben ist. „Pauls Intuition als Schlagzeuger war auf einem so hohen Niveau, dass es mich selbst darin bestärkte, auch und gerade diesen Aspekt in meinem Spiel auf ein ähnlich hohes Level zu heben“, ergänzt Lovanos Instrumentalkollege Chris Potter. Potter war auch als Saxofonist mit dem Pianisten Jason Moran an den Live-Aufnahmen von Motians letzter CD „Lost In A Dream“ beteiligt, mit der der Schlagzeuger noch einmal seinen einmaligen, jazzmusikalischen Gestaltungswillen unter Beweis stellen konnte: kunstvoll und ganz am Klang orientiert.

Foto
Arne Reimer/ECM

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