RIP: Hans Reichel
Sein Geld verdiente Hans Reichel nicht als Improvisationsmusiker. Vielmehr war der Wuppertaler ein „Schriftenerfinder“, der unter anderem von den Lizenzen aus seiner „FF Dax“ gut Leben konnte. „Meine ,FF Dax‘ sieht man zum Beispiel fast ständig und überall – im Supermarkt nebenan, auf Zigarettenwerbung, Flugzeugbeschriftung, Baustellenschildern, Wegweisern, Broschüren, Plakaten, im Fernsehen“, bekannte Reichel freimütg im Interview mit dem „Spiegel“. Aber dass er überhaupt diesem Broterwerb nachgehen konnte, das verdankt er seinem anderen Beruf: dem des Gitarristen. Denn in den 1970er-Jahren begann er, nicht nur freiimprovisierte Musik zu spielen, sondern auch die Plakate für die Konzerte und die Cover für die Platten selbst zu gestalten.
Reichel war ein seltenes Beispiel eines „Multitalents“. Zwar machte er sich in der Improv-Szene als Gitarrist einen Namen, der mit unkonventionellen Spieltechniken nach „ungehörten“ Klängen auf seinem Instrument forschte. Doch vor allem wurde er durch ein seltsames „Streichinstrument“ bekannt, das er erfunden und „Daxophon“ (bis heute strikt in „alter“ deutscher Rechtschreibung) genannt hat: ein mit Bogen gestrichenes Brettchen mit einem Resonanzkörper, dessen Tonhöhe und Klangfarbe durch ein Klötzchen beeinflusst und verändert wird. Mit diesem Instrument sorgte er für Furore: In zahlreichen Zeitschriften wurden Bau und Funktionsweise des Daxophons beschrieben, Reichel komponierte eigens dafür und selbst die „Hochkultur“ erkannte dessen ungewöhnliches Klangspektrum – wie zum Beispiel das Kronos Quartet, für das er das Stück „Namakemono“ schrieb und das 1997 mit ihm am Daxophon uraufgeführt wurde. Am 22. November ist Hans Reichel in seinem Atelier in Wuppertal-Elberfeld gestorben – gerade einmal 62 Jahre alt.