Louis Armstrong: 110
Louis Armstrong war zu Lebzeiten nicht immer unumstritten, doch heute gilt er als großer Erfinder und Jahrhundertfigur der Kunstform Jazz: als singender Entertainer und innovativer Instrumentalsolist, als Autodidakt und Virtuose, Musiker des Teufels und Bote Gottes, Onkel Tom und kompromissloser Sprecher der schwarzen Community. Dass alle Konstruktionen zum Teil sogar gleichzeitig wirksam wurden, gehört zu den Besonderheiten von Armstrongs Karriere. Der afroamerikanische Publizist Stanley Crouch schwärmt von der unbändigen Kraft und Energie, mit der Armstrong spielte: „Die Trompete verlangt Opferbereitschaft“. Der Avantgarde-Trompeter Lester Bowie erzählte voller Stolz, wie er früher bei geöffnetem Fenster geübt habe, weil er darauf hoffte, dass Armstrong eines Tages vorbeikommen, ihn hören und engagieren würde.
Zwei Jahre vor seinem Tod am 6. Juli 1971 gründete er die „Louis Armstrong Educational Foundation“, um Schüler und Jugendliche in seinem Jazz ausbilden zu lassen. Wynton Marsalis konnte unlängst 2,4 Millionen US-Dollar der Stiftung nutzen, um zum ersten Mal in der Geschichte des Jazz einen Lehrplan mit 120 Songs zu entwickeln, die jetzt von tausenden High-School-Bands interpretiert werden. Crouch, der die einflussreiche Stiftung heute repräsentiert, nennt Satchmo die Verkörperung „from rags to riches“, einen schwarzen Künstler, der aus der Anonymität und Armut kam und internationale Anerkennung erreichte.
Gern wäre Armstrong am ersten Unabhängigkeitstag des vergangenen Jahrhunderts geboren worden. So gern, dass er sein Leben lang behauptete (und vielleicht sogar selbst glaubte), dass sein Geburtstag der 4. Juli 1900 gewesen sei. Erst zwölf Jahre nach seinem Tod erfuhr man aus dem Taufregister einer reichen Kirche in einem wohlhabenden weißen Bezirk von New Orleans, dass Armstrong am 4. August 1901 geboren worden war. Anlässlich seines 110. Geburtstags ist nun die 7-CD-Box „Satchmo: Louis Armstrong The Ambassador Of Jazz„ (Verve/Universal) erschienen, die einen Überblick über seine Karriere gibt. Dazu gehören auch ein bisher unveröffentlichtes Audio-Interview, das der Jazzhistoriker Dan Morgenstern 1965 mit Armstrong führte, und ein 200 Seiten dickes Buch voller Erinnerungen.