Ausstellung: Freejazz in der DDR
Es war der amerikanische, vor allem aber der europäische Free Jazz der 1960er-Jahre, der in der DDR Musiker inspirierte, einem eigenen Weg in der freiimprovisierten Musik zu folgen und einen „ostdeutschen“ Dialekt zu formen, der später „DDR-Jazz“ heißen sollte. Darin hatte deutsche Volksmusik ebenso Platz wie Neue Musik oder das kompositorische Werk eines Hanns Eisler oder Kurt Weill. Die Blütezeit des „DDR-Jazz“ waren dann die 1970er-Jahre, als zum Beispiel die DDR-Plattenfirma AMIGA eine eigene Jazz-Edition hatte, in der auch die Aufnahmen der ostdeutschen Free-Jazz-Musiker veröffentlicht wurden. Und es fand sich ein Publikum für diese nicht leicht zu konsumierende Musik, das zu den Festivals und in die Spielstätten pilgerte, um den „DDR-Jazz“ eines Ulrich Gumpert, Günter „Baby“ Sommer, Conny Bauer und vielen anderen Musikern zu hören. Die Mauer, die in der Zeit die politischen Systeme zwischen Ost und West so strikt trennte, war durchlässig – für Jazzmusiker aus Ost und West. Es gab Kooperationen etwa der Wuppertaler Musiker Peter Kowald und Peter Brötzmann oder auch dem Engländer Barry Guy und dem London Jazz Composers Orchestra mit ihren DDR-Kollegen. Und umgekehrt reiste zum Beispiel 1979 offiziell eine Delegation aus ostdeutschen Jazzern ins westdeutsche Moers, wo sie auf dem dortigen Jazzfestival gefeierte Konzerte spielten.
„Es entsteht eine kleine, eng vernetzte, hoch kreative und international gefragte Free-Jazz-Szene“, schreiben heute die Organisatoren der Ausstellung „Freejazz in der DDR – Weltniveau im Überwachungsstaat“, die vom 21. November bis 19. Januar im Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus gezeigt wird. „Diese Szene lebt von begabten Musikern, die genau für diese Musik brennen. Und sie wird getragen von einem Netzwerk an Unterstützern und vor allem von einem für diese mutigen Ausflüge in neue Klangwelten bereites Publikum, das zu Experimenten ebenso offen ist wie die Künstler. Ein Publikum, das den avantgardistischen Improvisationen vielleicht nicht immer folgen kann, aber einer gläubigen Gemeinde gleich versteht: hier geht es um einen Freiraum jenseits der offiziellen Einheitskultur.“ Die Ausstellung versucht, die Wurzeln des musikalischen Phänomens „DDR-Jazz“ offenzulegen. Sie lässt die Instrumentalisten aus diesen Jahren ebenso zu Wort kommen wie Veranstalter oder Journalisten. Gezeigt wird auch eine Installation aus Film, Musik, Fotos, Plakaten, Plattencovern und Interviews, um das DDR(-Jazz)-Lebensgefühl von damals adäquat widerzuspiegeln. Bei der Vernissage am 21. November gibt es auch ein Konzert zweier wichtiger Vertreter dieses „Sonderwegs“: mit den Gitarristen Joe Sachse und Uwe Kropinski. Alle Infos über „Freejazz in der DDR“ auf der Website im Internet.
Weiterführende Links:
Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus
Liebe Jazzer,
heute hörte ich in der Radiosendung „Märkische Wandlungen“ von Danuta Görnandt das erste Mal etwas über den Free Jazz in der DDR. Ich habe mich sehr gefreut, weil ich Ende der 60er /Anfang der 70er in unserem Jugendfreizeitheim „Tietzstr.“ in Reinickendorf, zusammen mit dem Veranstalter von Free-Jazz-Konzerten in (West-)Berlin, Jost Gebers (FMP), viele Nachtkonzerte mit den damaligen „Größen“ des Free-Jazz veranstaltet habe. Sie waren auch für uns der Ausdruck eines eigenen Lebensgefühls und des Versprechens, einen Aufbruch wagen zu können.
Gehörten die beiden Gitarristen, Uwe Kropinski und Joe Sachse, auch zu dieser Szene, oder hat Frau Görnandt sie nur eingestreut, weil ihr die Musik gefiel?
Mit herzlichen Grüßen
Ralf
GRUPPE SOK
Sehr schade ist es, wenn massgebliche historische Tondokumente, verboten werden und so die Geschichte falsch geschrieben wird.
Endlich gibt es diese Jazz Funk Aufnahmen mit Weltniveau auf Schallplatte, die zu den besten Jazzrock Album der DDR zählt!
https://blackpearlrecords.bandcamp.com/album/sok-der-gr-ne-vogel