RIP: Kathrin Lemke

ist am 22.1. gestorben: Kathrin LemkeKathrin LemkeIrgendwann 2001 habe ich von Kathrin Lemke zum ersten Mal gehört. Ich bekam das Album „Psycho Potatoes“ auf den Schreibtisch, das die in Berlin lebende Saxofonistin mit ihrem Quartett JazzXclamation eingespielt und veröffentlicht hatte. Auf den ersten Blick zeigte diese CD den vor 15 Jahren so populären „Spaß-Jazz“ der Hauptstadt-Szene mit seinem anarchistischem Durcheinanderwirbeln der Genres und Gattungen, musikalische Grenzen schien auch Lemke nicht zu kennen. Doch als ich unter die turbulente Oberfläche schaute, konnte ich eine tiefgründige, reflektierte Frau entdecken, für die Jazz eben nicht nur ein musikalischer Stil war, sondern der kreative Ausdruck ihrer Persönlichkeit; so, als wollte sie ihrem Publikum stets neu sagen: „Schaut her, hört hin: Das bin ich, der Mensch Kathrin Lemke.“

Ins Jahr 2015. „My Personal Heimat“ hieß ein neues Projekt von Lemke. „Heimat“ ist für die Musikerin eine Vokabel im Deutschen, die sich nicht übersetzen lässt. In diesem „urdeutschen“ Wort tritt all das zu Tage, was Lemkes Kindheit im Heidelberg der 1970er-Jahre geprägt hat. Die Saxofonistin hat Songs zusammengebracht, die für sie von Bedeutung waren: der Gassenhauer „House Of The Rising Sun“ ebenso wie Bartholdys Lied „Abschied vom Walde“, die Berliner musikalische Schnurre „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“ oder die simplen Schlümpfe-Schlager von Vadder Abrahahm. „Es geht um musikalische Sozialisation, wo man ein Gefühl von Heimat hat“, betonte die Saxofonistin im vergangenen September in der „taz“, „ein Ziel ist, dass es eine Vertrautheit gibt und andererseits eine Irritation.“

Dieses Ziel hat Lemke mit vielen ihrer Bands verfolgt; sei es mit ihrem großartigen Tribute an den schrulligen amerikanischen Big-Band-Leader und -Komponisten Sun Ra oder als Leiterin eines 30-köpfigen Workshop-Ensembles bei den letztjährigen „Darmstädter Jazz Conceptions“. Doch „My Personal Heimat“ war mehr als nur ein typisches Kathrin-Lemke-Projekt, mit dem sie die Quintessenz ihres Schaffens als Jazzmusikerin präsentieren wollte. Ein solches Projekt realisiert man oft nur dann, wenn man eine existenzielle Erfahrung hinter sich hat: Kathrin Lemke war an Krebs erkrankt, an dessen Folgen sie nun am 22. Januar gestorben ist. Viel zu jung: Sie wurde nur 44 Jahre alt. Text: Martin Laurentius

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Kathrin Lemke

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Frank Schindelbeck

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