RIP: Roy Hargrove
In der Generation nach Wynton Marsalis war er der bekannteste amerikanische Jazztrompeter. Roy Hargrove wurde am 16. Oktober 1969 in Waco, Texas, geboren. „Ich werde nie vergessen, wie ich Wynton Marsalis zum ersten Mal im Fernsehen sah“, erzählte mir Hargrove. „Ich war damals gerade 13 und sagte mir daraufhin, dass ich genau wie Wynton auch einmal Jazz für ein großes Publikum spielen werde. Aber ich bin überhaupt nicht festgelegt. Für D‘Angelos CD ‚Voodoo‘ habe ich die Bläserarrangements gespielt, und Erykah Badu kenne ich noch aus der High School, beide haben ein gutes Feeling für Jazz.“ Sonny Rollins widmete ihm seine Komposition „Young Roy“ (1991) und Oscar Peterson sah in ihm einst die Zukunft des Jazz verkörpert, für seine CD „Habana“ (1997) wurde er mit einem „Grammy“ ausgezeichnet. Als besonderen Einfluss für seine Balladeninterpretationen nannte Hargrove den Gesang von Shirley Horn.
Hippe Musik sei das Ergebnis einer Bewusstseinsebene, die man nicht kontrollieren kann, sie entwickle sich kollektiv innerhalb der Gesellschaft, sagte Hargrove. Als er Clifford Browns, Fats Navarros und Freddie Hubbards Musik kennenlernte, fühlte er sich, als habe er einen großen Schatz entdeckt. Er hätte gern in der Zeit gelebt, als diese Musik erfunden wurde. „Wer heute wie Charlie Parker klingen kann, schafft etwas ganz Großes. Innovativer geht nicht: Für die meisten jungen Leute sind John Coltrane und Dizzy Gillespie brandneues Zeug.“
Als junger Musiker habe er sehr viel von Rollins, John Hicks, Walter Booker, Idris Muhammed, Frank Morgan und Benny Bailey gelernt – „diese Menschen zeigten mir, wie man sich als Erwachsener auf der Bühne benimmt und zwar durch ihr Beispiel, geredet haben sie darüber kaum. Ich habe mit Musikern gespielt, die ich von ihren Platten kannte, niemals hätte ich zu träumen gewagt, mit ihnen jemals auf einer Bühne zu stehen.“
Seine Jazzbands bezeichnete Hargrove als ein Statement für mehr Melodieverbundenheit, mehr Reinheit und Einfachheit. „Bird und Diz sind für mich die Großväter des HipHop – für mich ist das große Inspiration. Einen Takt auf fünf Minuten zu strecken und die Aufmerksamkeit der Hörer nicht zu verlieren, das ist magisch. Dieselbe Akkordfortschreitung immer und immer wieder – es zeugt von großem Können, wenn man es schafft, die Leute damit zu verzaubern.“ Mit seiner Band RH Factor verband Hargrove Einflüsse aus Jazz, Funk, HipHop und Soul. Als Teilhaber initiierte er bereits 1995 in der New Yorker „Jazz Gallery“ einen gemeinnützigen Proben- und Auftrittsort, hier trat er mit seiner Big Band auf, auch im Smalls war er regelmäßig zu hören. Der große Trompeter Hargrove war einer der besten Club-Acts des amerikanischen Jazz.
In den letzten Jahren hatte er mit wechselnden Erfolgen gegen seine Drogensucht gekämpft. Wie sein langjähriger Manager Larry Clothier berichtet, habe Hargrove gerade erst wieder zu neuer Größe zurückgefunden. Am 2. November verstarb Roy Hargrove völlig unerwartet an den Folgen einer chronischen Nierenerkrankung in einem New Yorker Krankenhaus. Am 3. November hätte er wieder auftreten sollen. Text: Christian Broecking