Harlem: Threadgill total
Mit 70 lässt er sich zu nichts mehr drängen, anders als vor 20 Jahren, als er noch für Columbia Records aufnahm und mit seiner Band Very Very Circus auf vielen internationalen Festivals zu hören war. Henry Threadgill fand, die kompositorische Herausforderung von Very Very Circus sei ausgeschöpft, die seltsame Instrumentierung jenes Großensembles mit mehreren Geigen, Gitarren und Tuben, das damals zu seinem Erkennungszeichen wurde. „Beim Verhältnis von Komposition und Improvisation geht es nicht um Prozentanteile“, sagt er beim Gespräch in New York. „Wenn ich die Nähte spüre, wenn ich sehe, wie alles zusammengesetzt ist, fehlt mir das authentische Kunst-Gefühl“. Bei seinen neuen Kompositionen und Aufnahmen will er die Aufmerksamkeit der Hörer nicht durch die Spuren des Produktionsprozesses abgelenkt wissen. Musik ist für Threadgill eine große Idee, ein Zukunftsentwurf, der von den sozialen und politischen Bedingungen der Akteure geprägt ist: Genregrenzen lehnt er entschieden ab.
Threadgills Einfluss auf die junge New Yorker Improvisationsszene ist derzeit kaum hoch genug einzuschätzen. Doch das geheimnisvoll flirrende Klangfarbenlabyrinth des Henry Threadgill ist nun einmal das Ergebnis langjähriger Studien, deren Rahmenbedingungen er selbst geschaffen hat. Jetzt hat der Pianist Jason Moran ein zweitägiges Konzertereignis organisiert, das unter dem Motto „Very Very Threadgill“ am 27. und 28. September im Harlem Stage Gatehouse in New York stattfindet. Mit dabei sind neben Threadgill und Moran unter anderem Cassandra Wilson, Imani Winds, Pheeroan Aklaff, Jose Davila, Henry Grimes, Craig Harris, Graham Haynes, Marika Hughes, Darius Jones, Frank Lacy, Steve Lehman, JT Lewis, Tony Malaby, Vijay Iyer, Linda Oh, Greg Osby, Eric Revis, Stephanie Richards, Marcus Rojas, Antoine Roney, Marvin Sewell, Jen Shyu, Tyshawn Sorey, Curtis Stewart, Pyeng Threadgill und Fay Victor.
Weiterführende Links:
Harlem Stage Gatehouse