Berlin: Protest erfolgreich
Am 24. August mobilisierte der Verein Initiative Neue Musik (INM) zu einer ungewöhnlichen Protest-Aktion. Anlass war das Vorhaben der Deutschen Bahn, auf insgesamt 17 sogenannter „Problembahnhöfe“ in Berlin „atonale Musik“ einzusetzen, um unerwünschte Personengruppen aus der Obdachlosen- und Drogen-Szene von den Bahnhöfen zu vertreiben. Die Komponistin Juliana Hodkinson kritisierte dieses Vorhaben vorab im DLF: „Diese Musik stand für Schönberg und steht für die jetzigen Kollegen für eine Befreiung von allen möglichen Hierarchien. Es fing an mit der Befreiung von tonalen Hierarchien und von den Tongeschlechtern Dur und Moll.“ Der Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Christian Höppner, bezeichnete diese „Instrumentalisierung von Musik im öffentlichen Raum“ als „eine Diskriminierung der Komponistinnen und Komponisten, gleich welche Stilrichtung“.
Dem Protest-Ausruf der INM folgten am Freitag etwa 300 Zuschauer. Wie der Berliner Tagesspiegel berichtete, wurden bei dem Konzert im Bahnhof Hermannstaße Lebensmittel an anwesende Obdachlose verteilt und das Gespräch mit der Zuhörerschaft aufgenommen. Während des Protest-Konzertprogramms am Bahnhof wurde auch ein Werk des afroamerikanischen New Yorker Komponisten Julius Eastman aufgeführt, der selbst 1990 im Alter von 49 Jahren einsam, verarmt, obdachlos und drogenabhängig verstarb. Der ebenfalls anwesende Leiter des Regionalbereichs Ost, Friedemann Keßler, der als Manager von 166 S-Bahnhöfen in Berlin auch für die heftig kritisierte Idee verantwortlich zeichnet, zeigte sich von der Darbietung so beeindruckt, dass er spontan alle Pläne, atonale Musik zur Vertreibung Obdachloser einzusetzen, wieder verwarf. Jetzt würden alternative Strategien überlegt. Insgesamt steht derzeit ein Budget von zehn Millionen Euro für die „Qualitätssteigerung“ und „Verschönerung“ der S-Bahnhöfe Berlins zur Verfügung.
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Initiative Neue Musik